0508 - Morganas wilde Meute
auch über Sie. Das weiß ich genau. Hier im Haus gibt es Menschen, die sich fürchten, verstehen Sie? Die Leute fürchten sich vor Ihnen. Sie haben Angst. Das sagen sie nur nicht laut, sie schweigen lieber.«
»Schon gut, Mister…«
»Walter, bitte, ich will nicht mehr weg. Laß uns zurückgehen!«
»Ja, gleich.« Er wandte sich jetzt an Suko. »Und dieser Schlag mit der Peitsche, den Sie meiner Frau mitgegeben haben…«
»Ich habe mich bereits entschuldigt, denn auch wir sind der Halluzination erlegen.«
»Reden kann man viel.«
»Es stimmt, Mister.«
»Bitte, Walter, ich möchte zurück in die Wohnung.«
»Natürlich, Darling.« Er warf uns noch einen scharfen und auch bösen Blick zu, bevor er sich umdrehte und zurück zu seiner Wohnungstür ging. Er hatte dabei den Arm um die Schulter seiner Frau gelegt.
Suko schüttelte den Kopf. »Verdammt, John, stell dir vor, du hättest geschossen. Die Kugel wäre durch den sich auflösenden Körper gefahren und hätte die Frau erwischt…«
Ich winkte ab. »Mal den Teufel nicht an die Wand, bitte. Es ist schon gut so.«
Wir warteten so lange, bis die Tür hinter den beiden zugefallen war, und gingen wieder zurück.
»Hast du deine Wohnungstür ins Schloß gezogen?« fragte mich der Inspektor.
»Nein, wie käme ich dazu?«
»Dann muß es Jenna gemacht haben.«
Dessen war ich mir nicht sicher. Es gab eigentlich keinen Grund dafür. Mir fiel ein, daß ich keinen Schlüssel bei mir trug. Deshalb wollte ich schellen. Ich hob die Hand. Fremde, unheimliche Geräusche aus der Wohnung ließen mich buchstäblich erstarren…
***
Jenna Jensen wußte nicht genau, was sich im Flur des Hauses abspielte. Jedenfalls war sie froh, nicht dabei sein zu müssen. Sie stand auf der Schwelle zwischen Flur und Wohnzimmer, konnte nach draußen schauen, sah auch die Rücken der beiden Männer, aber keine Wölfe.
Und doch waren diese da. Das spürte die Frau einfach. Sie hatte einen gewissen Instinkt dafür bekommen, der sich besonders stark in der letzten Zeit entwickelt hatte.
Sicher fühlte sich Jenna nur im Wohnraum, deshalb ging sie auch dorthin zurück. Sie bewegte sich sehr vorsichtig und fast lautlos.
Auf keinen Fall wollte Jenna die Aktionen der beiden Geisterjäger stören. Sie bezeichnete ihren Zustand selbst als eine große Erleichterung, seit sie sich unter dem Schutz der beiden Männer befand. Sie würden das Grauen von ihr fernhalten.
Sie wartete auf Schüsse, auf Kampfgeräusche. Das alles hörte sie nicht. Es blieb ungewöhnlich still im Hausflur. Sie vernahm mal die Stimmen der Männer, ohne allerdings verstehen zu können, was die beiden miteinander redeten.
Bis sie den Luftzug spürte.
Er war kalt, wie ein Eishauch, und er traf sie urplötzlich. Damit hatte sie nicht gerechnet. Der Atem des Todes schien durch den Wohnraum zu wehen, glitt an ihr vorbei, und plötzlich bewegte sich die Tür. Jenna wollte noch hinlaufen, sie war einfach zu langsam. Es gelang ihr nicht mehr, die Tür aufzuhalten.
Sie knallte zu.
Wie betäubt stand Jenna in der Diele. Zwei, drei Sekunden tat sie nichts, dachte noch über den ungewöhnlichen Vorgang nach und auch über den kalten Hauch, der sie gestreift hatte. Etwas war in die Wohnung eingedrungen, vor dem sie sich fürchten mußte.
Etwas Fremdes, Unheimliches, das nun zwischen den Wänden hing und sie belauerte.
Es kostete Jenna Überwindung, sich der Tür zu nähern. Sie brauchte nur zwei Schritte vorzulaufen. Ihre Knie zitterten dabei.
Als sie die Hand auf die Klinke legte, da hatte sich das Metall ebenfalls stark abgekühlt.
Und sie schaffte es nicht, die Klinke nach unten zu drücken, so sehr sie sich auch anstrengte.
Dafür hörte sie in ihrem Rücken das Lachen. Es war das Gelächter einer Frau.
»Pech gehabt, Jenna!«
Die junge Archäologin drehte sich noch nicht um. Sie stand nur da und dachte, daß es jetzt aus war. John Sinclair und Suko befanden sich draußen im Flur. Wer würde ihr jetzt noch helfen können? Zudem war die Tür aus irgendeinem Grunde verschlossen.
»Jetzt sind wir allein…«
Wie diese verdammten Worte in die Stille tropften. Wie sicher sich die andere Person war.
Jenna riß sich zusammen. Sie sagte sich auch, daß es keinen Sinn hatte, nur auf dem Fleck stehen zu bleiben und alles andere der Unbekannten zu überlassen.
Sie machte kehrt.
Sehr günstig stand sie im Flur. Schaute hinein in den Wohnraum und sah nichts.
Keine Spur von der Unbekannten, deren Stimme sie vernommen hatte.
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