051 - Die gelbe Schlange
es gewollt hätte. Du hast doch den Mädchen nicht erzählt, weshalb du in die Stadt gefahren bist?«
Joan schüttelte den Kopf.
»Das ist gut. Sonst wären sie mitgekommen und hätten auch allerlei kaufen wollen, und das kann ich jetzt nicht bezahlen.«
Narth zog ein Paket Banknoten aus der Kassette und legte es vor Joan hin, ohne zu zählen.
»Kauf alles, was du willst, meine Liebe - aber nur das Beste. Ich möchte dich nur um eins bitten.« Er starrte krampfhaft aus dem Fenster und vermied es, ihren Augen zu begegnen. »Du weißt, Joan, ich habe alle möglichen geschäftlichen Beziehungen, und ich habe meine Hände in mehr Dingen, als die Leute ahnen.« Nervös fuhr er sich über das Gesicht, sein Blick war noch immer zum Fenster gerichtet. Joan wartete gespannt, was jetzt kommen würde. »Ich habe eine Menge Geld in einem Modesalon investiert - bei Madame Ferroni, 704 Fitzroy Square.« Seine Stimme wurde plötzlich heiser. »Es ist nicht gerade ein vornehmes Haus, sie hat mehrere Räume im dritten Stock. Aber es wäre mir sehr angenehm, wenn du einige deiner Kleider bei Madame Ferroni kaufen würdest.«
»Warum nicht, gern, Mr. Narth«, antwortete sie ein wenig belustigt.
»Geh zuerst zu ihr«, sagte er, noch immer an Joan vorbeisehend. »Wenn sie nichts hat, was dir gefällt, brauchst du natürlich auch nicht bei ihr zu kaufen. Aber ich habe ihr versprochen, daß ich dich zu ihr schicke, und es wäre natürlich auch für mich vorteilhaft, wenn sie einen guten Umsatz hat.«
Narth schrieb die Adresse auf eine Karte und reichte sie Joan über den Tisch.
»Noch eins, Joan, laß bitte die Wagen nicht warten. Taxen kosten eine Menge Geld, und in den Modesalons wirst du doch längere Zeit verbringen. Zahle den Chauffeur jedesmal, wenn du in ein Geschäft gehst, Joan. Du bekommst ja leicht wieder ein anderes Taxi. - Nein, zähle das Geld nicht, das spielt gar keine Rolle. Wenn du mehr brauchst, mußt du es mir nur sagen, ich gebe es dir dann. Also auf Wiedersehen!«
Stephens Gesicht war totenblaß und in seinen Augen lag ein Ausdruck, der Joan erschreckte. Sie nahm seine kalte, feuchte Hand und drückte sie, aber er lehnte ihren Dank schroff ab.
»Gehe zuerst zu Madame Ferroni, ja? Ich habe es ihr versprochen.«
Die Tür schloß sich hinter ihr, und Narth wartete, bis Joan das Haus verlassen hatte, dann schob er den Riegel vor. Kaum hatte er das getan, öffnete sich die zweite Tür, und aus dem Sitzungssaal trat Fing Su ein. Narth drehte sich um und sah ihn haßerfüllt an.
»Ich habe es getan!« stieß er hervor. »Wenn aber dem Mädchen irgend etwas passiert, Fing Su -«
Der Chinese lächelte breit und schnippte ein unsichtbares Stäubchen von seinem gutgeschnittenen Anzug.
»Gar nichts wird ihr passieren, mein lieber Freund«, beruhigte er ihn in seiner sanften Art. »Das ist nur ein Zug im großen Spiel. Eine taktische Maßnahme, damit der strategische Plan zum vollen Erfolg führt!«
Narth fingerte am Telefon.
»Am liebsten würde ich sie anhalten«, krächzte er heiser. »Ich könnte Lynne anrufen, und er würde noch vor ihr dort sein -«
Fing Su lächelte wieder, aber er ließ das Telefon und die nervösen Hände nicht aus den Augen.
»Das wäre eine Katastrophe für Sie, Mr. Narth«, sagte er. »Sie schulden uns fünfzigtausend Pfund, die Sie uns nie zurückzahlen können.«
»Nie zurückzahlen?« knurrte der andere. »Sie scheinen vergessen zu haben, daß ich der Erbe Joe Brays bin‹
Der Chinese bleckte grinsend die weißen Zähne, »Eine Erbschaft ist erst dann etwas wert, wenn der Erblasser gestorben ist!«
»Aber Joe Bray ist tot!« rief Narth beunruhigt.
»Joe Bray« - Fing Su nahm eine Zigarette aus seiner goldenen Dose und zündete sie an -, »Joe Bray ist sehr lebendig. Gestern abend habe ich mit meinen eigenen Ohren seine Stimme gehört!«
29
Noch etwas verwirrt durch das ungewöhnliche Verhalten Stephen Narths, machte sich Joan auf den Weg. Bald aber dachte sie nur noch an ihre Besorgungen, die jeder Frau Freude gemacht hätten, und die ihr unter den gegebenen Verhältnissen besonders angenehm waren. Sie zählte das Geld, als sie im Taxi saß: Es waren dreihundertzwanzig Pfund - eine ungeheure Summe für Joan, die nie mehr als zehn Pfund besessen hatte.
Joan hatte die Karte mit Madame Ferronis Adresse dem Chauffeur gegeben, und in den nächsten zehn Minuten beobachtete sie mit Interesse, mit welcher Gewandtheit er seinen Weg durch den dicken Verkehr nahm.
. Am Fitzroy Square
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