0510 - Der Leichenzug
nicht viel los.«
»Mal sehen.«
Marek hatte recht. Der gute Jossip kam tatsächlich ziemlich schnell durch. Er reichte dem Pfähler einen alten schwarzen Hörer hin.
»Los, du kannst jetzt.«
In der Leitung knabberten Ratten. Es zischte auch. So jedenfalls hörten sich die Geräusche an, die Marek vernahm. Allerdings auch eine Stimme. Die des Chinesen Suko.
»Marek hier.«
»Das hatte ich mir gedacht. Gibt es Ärger?«
»Ich befürchte, ja. Du mußt kommen, Suko.«
»Was ist mit John?«
»Er ist verschwunden«, antwortete Marek.
»Wieso? Wo? Wohin…?«
»Alles später, Suko. So schnell wie möglich. Ich hole dich in Bukarest ab. Oder nimm einen Hubschrauber vom Flughafen. Ihr habt doch zu unseren Stellen Beziehungen.«
»Ich werde das mit dem Hubschrauber versuchen. Klappt es nicht, gebe ich dir Bescheid.«
»Ja, tu das.«
Das Gespräch war beendet. Marek fiel ein Stein vom Herzen, als er den Hörer an Jossip zurückreichte. Der wiederum schaute ihn neugierig an. »Und? Kommt er?«
»Ja.«
»Und wo steckt Sinclair?« Der Geisterjäger war in Petrila bekannt.
Deshalb konnte Jossip den Namen so gut aussprechen.
»Keine Ahnung, Jossip. Ich weiß wirklich nicht, wo er sich aufhält. Er ist entführt worden.«
»Von einem Vampir?«
»Glaube ich nicht. Jedenfalls habe ich keinen gesehen. Du hörst später bestimmt mehr.«
»Hoffentlich. Vergiß nicht, daß ich dir geholfen habe.«
»Klar.«
Marek verließ die Poststation. Jossip war neugieriger als ein altes Waschweib. Er wußte stets, wer in Petrila Post bekam und was in den meisten Briefen stand. Nachgewiesen hatte man ihm das nicht, aber die Leute glaubten fest daran.
Marek mußte den Tabak erneut anzünden. Am heißen Kopf seiner Pfeife wärmte er sich die Finger. Der Rauch vermischte sich mit dem Qualm vor seinen Lippen.
Er konnte sich nicht wohl fühlen, aber es ging ihm innerlich ein wenig besser. Auf einen Menschen wie Suko war einfach Verlaß.
Der würde auch vom Mond herunterkommen, um seinem Freund John Sinclair aus der Patsche zu helfen.
Auf dem Rückweg begegneten ihm die ersten Frühaufsteher. Sie schauten Marek an, grüßten, ein paar Worte flogen hin und her. Zumeist jedoch waren die Männer ruhig, die darauf warteten, in die Wälder fahren zu können, um dort das Holz zu schlagen. Sie wurden von einem Lkw abgeholt.
Mareks Haus lag im Dunkeln. Zielsicher fand er das Schlüsselloch, betrat das Haus und blieb sofort stehen.
Ihm war etwas aufgefallen, obwohl das Aroma des Tabaks seinen eigenen Geruchssinn beeinträchtigte. Dies allerdings nicht so stark, als daß er den anderen Geruch nicht mitbekommen hätte.
Er war fremd, er paßte nicht ins Haus und war dennoch eigentlich sehr typisch.
So roch Blut!
Marek ging keinen Schritt weiter. Er lief auch nicht zurück. Hinter ihm stand die Tür offen. Der Wind wehte kalt in seinen Nacken. Er spürte auf der Haut das Kribbeln, in der Kehle den Kloß, wobei seine rechte Hand unter die Jacke fuhr, um dort den Eichenpflock zu umklammern.
Marek zog ihn nicht. Statt dessen drehte er den alten Schalter um.
Jetzt bekam die Lampe unter der Decke Licht.
Es fiel fächerförmig in den Flur und genau auf das Tier, das in einer großen Blutlache lag.
Es war die graue Katze!
***
Marek schaute sich um. Draußen stand niemand, der ihn beobachtete. Er schloß die Tür und schüttelte den Kopf. Wer tat so etwas? Wer brachte die Katze um und weshalb?
Wollte man ihn damit treffen?
Marek bückte sich neben dem Tier.
Auch das Fell hatte sich mit Blut vollgesaugt. Er schaute genauer nach und sah an der Kehle des toten Tieres die Wunden.
Ungewöhnliche Wunden. So als wäre ein größeres Tier über das kleinere hergefallen.
Marek räusperte sich. Noch immer dachte er über den Tod der Katze nach und besonders über das Motiv des Täters.
Dieses Tier hatte keinem Menschen etwas getan. Man wollte ihn damit treffen oder warnen.
Er nahm den toten Körper und ging damit in den Hof. Dort standen die Mülltonnen. Der Katzen-Kadaver verschwand in einer Tonne, und Marek klappte den Deckel wieder zu.
Dann ging er zurück ins Haus. Es hatte sich nichts verändert, dennoch kam es ihm anders vor. Die Katze war ja im Haus getötet worden, demnach mußte jemand hineingekommen sein und ihn auch beobachtet haben. Vorher vielleicht, in der Nacht.
Aber wer? Wo steckte hier in Petrila sein Feind? Hing es mit dem Verschwinden des Geisterjägers zusammen?
Dies konnte sich Marek gut vorstellen, obwohl er keine
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