0510 - Der Leichenzug
kompliziert, Suko.« Marek wechselte das Thema. »Okay, wir wissen jetzt mit einer relativen Bestimmtheit, daß der Leichenzug von hier gestartet ist. Aber er ist nicht mehr vorhanden. Wo steckt er?«
»Am Ziel.«
»Bleibt er dort?«
»Sag mal, Marek, hast du den Zug stets nur in eine Richtung fahren sehen oder auch mal in die andere?«
»Nur in eine Richtung.«
»Dann muß er immer wieder zurückgefahren sein.«
»So sehe ich das.«
Suko schabte über sein Kinn. »Es ist schlimm, vielleicht haben wir einen Fehler gemacht. Jedenfalls können wir relativ sicher sein, daß wir hier nicht mehr finden werden.«
»Also zum Ziel.«
»Soweit es möglich ist, ja.«
Sie wollten schon einsteigen, als etwas passierte, daß sie von ihrem Vorhaben abhielt.
Aus der Gegenrichtung und aus der Ferne vernahmen sie ein rumpelndes, ratterndes Geräusch.
Marek stieß Suko an. »Verdammt, das ist er! Das ist der Zug, Suko. Wir haben Glück…«
Die letzte Bemerkung wollte der Inspektor nicht unbedingt unterschreiben…
***
Aus der Wunde floß mein Blut!
Nicht sehr schnell und auch nicht wie Wasser aus einem geöffneten Kran, nein, es tropfte nur, näßte aber den Boden. Ich hatte die Gestalt noch immer nicht sehen können, die mir den Schnitt zugefügt hatte, aber sie war noch vorhanden und schnitt ebenfalls in meinen rechten Arm die kleine Wunde.
»So«, hörte ich die Stimme, die eigentlich von überall herkommen konnte. »Jetzt wird es fließen und uns erretten. Was zu Staub geworden ist, wird wieder mit einem Leben erfüllt werden, auf daß die alten Zeiten der Blutsauger anbrechen.«
»Welches Leben denn?« rief ich keuchend. »Ein untotes Leben, ein Leben ohne Seele. Mehr ist es nicht.«
»Ja, das weiß ich. Aber ein untotes Leben ist für uns das gleiche.«
»Wer seid ihr denn?«
»Die Vampire vom Blutberg.«
»Ach so. Habt ihr hier gehaust?«
»Ja, das war unsere Heimat. Vor langer Zeit wurden wir von den Menschen gejagt. Es war auch zu der Zeit, als hier im Land ein sehr mächtiger Fürst regierte.«
»Vlad Dracula?«
»Richtig. Er liebte den Vampirismus, ohne selbst ein direkter Vampir gewesen zu sein. Wir aber waren die echten Blutsauger. Wir wollten zu ihm. Leider erfuhren das gewisse Menschen, die uns in diesen Berg hineintrieben, um uns zu töten. Man pfählte uns der Reihe nach und schaute dann zu, wie wir zu Staub zerfielen. Nur hatten unsere Feinde einen Fehler gemacht, ohne es gewollt zu haben. Sie zogen nach der Pfählung die Pflöcke wieder aus unseren Körpern hervor, denn sie sahen den Staub und dachten, es wäre erledigt. Das war es nicht. Man schaufelte den Staub in die Särge und rollte Felsen vor den Eingang einer Höhle. Allerdings rechneten die Menschen nicht damit, daß die Zeit nicht stehenbleiben würde. Irgendwann einmal fand man hier ein wertvolles Metall. Es war kein Silber oder Gold, irgendein Erz. Jetzt wurde der Berg wieder geöffnet, weil man das Erz ja abbauen mußte. Man baute eine Eisenbahnstrecke, und irgendwann fand man die Särge. Da bekamen es die Arbeiter mit der Angst zu tun. Sie verließen fluchtartig diesen Platz und kehrten nicht mehr zurück. Der Berg aber war offen, und ich hatte besser überlebt.«
»Weshalb?«
»Man zündete mich an. Mir gelang jedoch die Flucht. Mein Fleisch verbrannte ebenso wie die Kleidung, aber das Gerippe blieb, und auch das Leben. Ich war stark, ich war mächtig, ich habe einmal herrschen können. Mein Namen lautete Kesko.«
»Nie gehört.«
Der Unheimliche lachte. »Du hast zu weit weg gelebt, aber in Siebenbürgen kannte man mich als den Schwarzen Mann. Ich tauchte in der Nacht auf und holte mir meine Opfer. Das werde ich wieder tun, denn dein Blut wird mir und meinen Freunden die Kraft geben. Es brauchte nicht viel zu sein, wenige Tropfen reichen. Spürst du nicht, wie unruhig die Geister bereits werden?«
»Nein.«
»Dann warte ab.«
Nach diesen Worten entfernte Kesko sich wieder. Ich hatte einen Teil der Lösung erfahren. Diese Vampire hätten tatsächlich nicht mehr zurückkehren dürfen, wenn es die Menschen damals richtig angegangen wären. So aber hatte ich mit ihnen meine Probleme.
War es ein Hauch, ein leichter Windstoß, der über die Haut in meinem Gesicht fuhr?
Oder berührten mich bereits knöcherne Finger um mir klarzumachen, daß aus diesem Streicheln auch ein tödliches Ende werden konnte?
Je mehr Zeit verstrich und auch dieses Gefühl nicht nachließ, um so unwohler wurde mir.
Sie waren da, sie bewegten sich
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