0510 - Der Leichenzug
schaukelten die beiden Laternen im schwachen Wind. Ihr Licht sah seltsam diffus aus, ziemlich verschwommen.
Das lag an den Nebelwolken, die von außen her in den Berg eindrangen. Gewaltige, kreisende, sich drehende graue Wolkenberge. Lautlos trieben sie über die Schienen und überzogen sie mit einem Film aus Nässe.
Ich probierte die ersten Schritte. In den Beinen hatte ich noch wenig Gefühl, sie kamen mir taub vor, deshalb ging ich auch breitbeinig wie ein Roboter.
Nach einigen Bewegungen hatte sich der Kreislauf stabilisiert. Das Blut schoß wieder durch die Adern, es peitschte mich hoch. Ich bekam auch meine Energie zurück.
Dem Nebel schritt ich entgegen. Er rollte und wallte auf mich zu.
Ein graues, nie abreißendes Tuch, das von den Bergen immer mehr Nahrung bekam.
Der Laternenschein war zwar zu erkennen, aber sehr diffus und vom Nebel überdeckt.
Dennoch sah ich die Bewegung innerhalb der wallenden Umgebung. Es waren Schatten, die durch den Nebel schlichen und ihn auch sehr bald hinter sich gelassen hatten.
Zwei Gestalten.
Vampire!
***
Zuerst glaubte ich an eine Täuschung. Wie war es möglich, daß sie so einfach zurückkehrten? Der Zug hatte die Blutsauger weggeschafft. Sie mußten meiner Ansicht nach ihr Ziel längst erreicht haben, jetzt waren zwei von ihnen wieder da.
Ich blieb stehen und wartete, was die beiden vorhatten. Sicherlich wollten sie mein Blut, aber dem würde ich einen Riegel vorschieben.
Mit Vampiren hatte ich so meine Erfahrungen sammeln können, meine Waffen reichten immer aus.
Sie schienen unschlüssig zu sein, was sie unternehmen sollten.
Dicht hinter dem Eingang hätten sie sich getrennt. Es sah so aus, als wollten sie die gewaltige Höhle durchsuchen, wobei sie noch unschlüssig waren, wo sie beginnen sollten.
Sie mußten mich gesehen haben!
Wenn nicht, dann jetzt, weil ich ihnen etwas entgegenrief und sie so aufmerksam machte.
Sie hoben die Köpfe. Ich hatte auch meine Lampe gefunden und sie aufgehoben.
Den rechten Vampir strahlte ich an.
Bei normalen Verhältnissen hätte ich ihm direkt in das bleiche Gesicht leuchten können, so aber schwamm vor seinem Schädel eine Nebelwolke, die den Strahl diffus machte.
Der Blutsauger zuckte.
Seine Hände öffneten und schlossen sich. Ein gleichmäßiger Rhythmus, und dieses Zucken übertrug sich auch auf seine Schultern.
Sein Artgenosse wollte es wissen. Mit weiten Schritten und schwingenden Armen kam er mir entgegen.
Er ließ den Nebel hinter sich. Wie ein Gespenst erschien er aus den grauen Tüchern und geriet in den Strahl meiner Lampe, die ich etwas geschwenkt hatte.
Die Lippen waren zurückgeschoben worden. Aus dem Oberkiefer wuchsen gefährlich seine beiden Vampirzähne. Er war einmal Staub gewesen, zu Staub sollte er auch wieder werden.
Das Echo des Schusses wetterte durch die gewaltige Höhle, als ich abdrückte.
Mitten in der Bewegung blieb der Blutsauger stehen. Sein Kopf kippte nickend nach vorn, als wollte er ihn mit dieser Bewegung von den Schultern lösen.
Der Kopf blieb auf dem Leib, dafür fiel er mit dem Gesicht zuerst zu Boden.
So blieb er auch liegen.
Seine stinkende Kleidung geriet in Bewegung, als sich die Haut und die Knochen unter ihr auflösten und sie keinen Widerstand mehr spürte. Das war der erste gewesen.
Und der zweite?
Ich schwenkte den Strahl wieder in die andere Richtung und hätte ihn eigentlich erwischen müssen, was mir leider nicht gelang, da sich der Blutsauger verkrochen hatte.
Mist auch…
So gut es möglich war, leuchtete ich die Höhle aus. Der Kegel huschte über das Untergrund-Gestein, er tastete sich an den Wänden entlang, den Vampir entdeckte ich nicht.
Dafür den Nebel, der immer stärker in die Höhle hineinkroch.
Bald würde er den Berg auch im Innern ausgefüllt haben. Diese Feuchtigkeit war für den Vampir eine ideale Deckung. Ich glaubte einfach nicht mehr daran, daß er sich noch in der Höhle aufhielt.
Der hatte es vorgezogen zu verschwinden.
Auch ich ging.
So rasch wie möglich und nach allen Seiten sichernd ließ ich den Ort zurück, an dem ich hätte sterben sollen.
Der Dunst saugte mich regelrecht auf. Ich hatte das Gefühl, in ihm ertrinken zu müssen. Ein Mann wie ich konnte sich in einer Gegend wie dieser immer verlaufen. Besonders bei diesem Wetter.
Einen Vorteil besaß ich.
Wenn ich mich an dem Gleis orientierte, war es bis Petrila nicht weit. Leider hatte ich keine Ahnung, wo ich abbiegen mußte, um den Ort zu erreichen.
Und dann
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