0511 - Fenster der Angst
Ehrgeiz, das weißt du so gut wie ich.«
»Nur war er für Ken tödlich.«
»Leider.«
»Wie geht es weiter?«
»Wir nehmen an der Beerdigung teil, so wie wir es besprochen haben. Jetzt erst recht, würde ich sagen, weil ich das Gefühl habe, als würden uns noch einige Überraschungen bevorstehen.«
»Böse wahrscheinlich.«
»Keine Ahnung. Ich jedenfalls werde nicht eher Rippon verlassen, bis ich den Spuk geklärt habe.«
»Und du bist sicher, dich nicht getäuscht zu haben?«
»Hundertprozentig.«
Suko nickte. »Wir werden sehen, wie es weitergeht, John. Willst du hier draußen warten oder…«
»Nein, nein, ich gehe mit dir in die Kirche. So wenig Aufsehen wie möglich.«
Als wir wenig später die Tür aufzogen, spielte die Orgel. Das Geräusch ging in den Klängen unter.
Glenda Perkins schaute uns aus großen, verweint wirkenden Augen entgegen, als wir uns wieder in die Bank schoben. Sie mußte lauter sprechen, um verstanden zu werden. »Wo seid ihr gewesen?«
»Vor der Kirche.«
»Weshalb?«
»Erzählte ich dir später, Glenda. Nur soviel: Unsere Theorie erhärtet sich allmählich. Ich glaube, daß bei Kens Tod andere Dinge eine Rolle gespielt haben.«
»Doch Gewalt?«
»Nicht direkt, aber immerhin auch nicht normal.« Ich winkte ab.
»Warten wir noch etwas.«
Auch das Spiel der Orgel verstummte. Glenda nahm ihre Handtasche und drehte den Trageriemen um die Finger. Die Trauergäste standen jetzt und schauten zu, wie der Pfarrer den Sarg segnete. Anschließend trat er zur Seite, um vier Männern Platz zu schaffen, die sich aus der dritten Bankreihe lösten. Es waren die Sargträger und gleichzeitig Einwohner aus Rippon, die Ken Brights Sarg bis an das Grab herantrugen.
Sie nahmen den langen Weg durch die Kirche bis zum Ausgang, wo der Meßdiener die Tür geöffnet und festgestellt hatte.
Nebelwolken quollen in den Kirchenraum. Der Pfarrer ging an der Spitze. Er war schon älter, sein Gesicht erinnerte mich an eine Landschaft aus Ebenen und Furchen.
Hinter dem Sarg schritt die Familie Bright. Danach folgten die Freunde und Bekannten. Es wurde eine lange Reihe. Erst ganz zum Schluß schlossen wir uns an.
Als wir nach draußen traten, waren Suko und ich die einzigen, die sich auch umschauten. Ich rechnete damit, daß sich das Gesicht des Mädchens zeigen würde, aber es hielt sich versteckt. Der Nebel deckte eben vieles zu.
Wir gingen mit sehr langsamen, gemächlichen Schritten. Niemand redete, als wir die Kirche zur Hälfte umrundeten und auf das schmale Tor zugingen, das uns zum Friedhof führte.
Eine Welt der Stille, des Schweigens, nur unterbrochen von den knirschenden Tritten der Trauergäste und hin und wieder einem verhaltenen Schluchzen.
Die Wege auf dem Friedhof waren sehr schmal. Deshalb drängten sich die Menschen zusammen. Suko machte den Abschluß, er ging hinter Glenda und mir. Zunächst durchquerten wir den alten Teil mit seinen verwitterten Grabsteinen, auf denen die Schrift längst verblaßt war. Von Allerheiligen standen auf manchen Gräbern noch die roten Gläser, ohne daß in ihnen Kerzen brannten.
Der neuere Teil des Friedhofs begann praktisch dort, wo die große Trauerweide stand und ein halbrundes Dach bildete. Rechts davon blieben die Sargträger stehen.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um über die Köpfe der Trauergäste hinwegschauen zu können. Ich sah auch das ausgehobene Grab. Jemand legte Kränze und Blumen auf den Lehmhaufen daneben, aus dem der Stiel des Spatens stach.
Die Menschen verteilten sich. Sie bildeten einen großen Halbkreis um das Grab und schauten auf den dunklen Sarg, der auf Brettern stand. Die vier Träger hatten bereits Seile um das letzte Haus geschlungen. Sie warteten darauf, den Sarg in die Tiefe gleiten zu lassen.
Jeder hatte seinen Platz gefunden. Wiederum senkte sich Stille über den kleinen Friedhof im Schatten der Kirche.
Die Familie Bright stand vor dem offenen Grab. Glenda, Suko und ich konnten die Szenerie gut überblicken.
Der alte Pfarrer wartete noch einige Augenblicke, bevor er mit seiner letzten Rede auf den Toten begann.
Wieder sprach er von der Hoffnung, die noch die Trauer der Menschen über das Dahinscheiden des Sohnes und des Bruders sowie des Freundes überdecken sollte.
Glenda mußte, wie viele andere auch, hart schlucken. An mir prallten die Worte des Pfarrers irgendwie ab. Nicht, weil ich gefühllos gewesen wäre, nein, mir ging es um etwas anderes.
Ich dachte an das Gesicht und daran, daß es hier in
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