0515 - Schreie aus dem Werwolf-Brunnen
Richtung Tür. »Die haben sie eingetreten.«
»Okay.«
Die Tür war überhaupt nicht mehr vorhanden. Dafür sah ich den zuckenden Fackelschein, der durch das offene Rechteck bis in die Baracke hineinfiel und auch die Männer übergroß, die breitbeinig die erste Reihe bildeten.
Redburn stand in der Mitte.
Neben ihm zwei mit Gewehren bewaffnete Helfer. Wahrscheinlich hatten sie auch geschossen.
Das war nicht alles.
Auf Redburns Armen lag eine leblose Gestalt. Der Mann war auf teuflische Art und Weise umgebracht worden. Die Umgebung seiner Kehle war dunkel geworden.
»Da!« brüllte mich Redburn an. »Da, sehen Sie, wen ich hier habe, Sinclair. Sie müssen ihn kennen!«
Ich ging so weit vor, bis ich im Türrechteck stand. Daß zwei Gewehrmündungen auf mich gerichtet waren, störte mich nicht im geringsten. »Ja, ich sehe ihn. Er ist einer der beiden Schachspieler.«
»Genau, Sinclair. Er heißt zudem Frank Payne und war einmal Lehrer, der jetzt seine Pension…«
»Wer hat ihn getötet?«
Redburn schrie mir lachend ins Gesicht: »Verdammt noch mal, das wissen Sie nicht?«
»Nein, Sie denn?«
»Die Chinks. Die Schlitzaugen!« Ich erkannte ihn kaum wieder in seiner Wut. Er trug eine Pelzmütze und hatte ebenfalls einen Pelzmantel übergestreift.
Darunter zeichnete sich sein Gesicht ab. Der Rand der Mütze wirkte wie ein scharfer Strich. Blaß war das Gesicht, versehen mit einem dunklen Schatten aus Bartstoppeln, der die eingefallenen Wangen noch hohler erscheinen ließ.
Dieser Mensch stand unter einem unheimlichen Einfluß. Er hielt den Mund weit offen. Stoßweise, wie Wasser aus einer Quelle, schäumte mir der wolkige Atem entgegen.
Die anderen waren stumm. Sie hielten ihn umfangen, ein schützender Mantel aus Menschenleibern, den ich nicht durchbrechen konnte, ohne daß ich es riskierte, Tote und Verletzte zurückzulassen.
»Du wirst gehen!« schrie er mich an. »Los, verschwinde endlich! Ich will dich nicht mehr sehen. Ich brauche freie Bahn. Ich will, daß du endlich gehst!«
»Nein!«
Er sah aus, als wollte er mir nicht glauben, schüttelte den Kopf und tastete mit den Händen fahrig über seinen Körper. »Nein hast du gesagt?« brüllte er. »Du hast tatsächlich nein gesagt?«
»So ist es!«
Er fuhr herum zu seinen Leuten. Wahrscheinlich alles normale Männer, jetzt aber aufgeputscht durch diesen Wahnsinnigen. »Er hat nein gesagt. Er will uns nicht an die Chinks heranlassen. Er ist nicht besser als diese Mörder!«
Dann ließ er den Toten fallen. Er schaute ihm nicht einmal nach, als dieser zu Boden rutschte. »Du hast nein gesagt«, wiederholte er einige Male und ballte dabei die Hand zur Faust. »Das kann ich nicht verstehen. Mörder decken Mörder!«
»Ich bin Polizist!« erklärte ich laut und deutlich. »Hast du verstanden? Polizist!« Verdammt noch mal, ich wollte mich beeilen, denn ich mußte Suko finden.
»Du bist kein Bulle!« brüllte er. »Bullen schützen keine Mörder.«
Er deutete an mir vorbei. »Und erst recht nicht dieses Pack. Wir werden uns jeden einzelnen von denen holen. Und du verfluchter Hund hältst uns nicht auf. In diesem Ort habe ich zu sagen. Mein Wort gilt. Das Wort der Redburns ist Gesetz!«
Irgendwann gibt es einen Punkt, wo auch der friedlichste Mensch mal handeln muß. Ich gehöre zu den friedlichen Menschen. Bei mir war der Punkt erreicht, und ich tat es.
Mein Arm schnellte vor. Ich bekam ihn so zu packen, wie ich es haben wollte.
Im Gegensatz zu ihm trug ich keine Handschuhe. Deshalb war mein Griff auch so hart. Er umklammerte den Hals des Mannes wie eine Stahlkette. Ich riß ihn zu mir heran, preßte ihn gegen meinen Körper, und bevor die beiden Gewehrträger noch etwas unternehmen konnten, hielt ich bereits die Beretta in der Rechten.
Ich drückte die Mündung nicht gegen die Stirn des Wirts, dann wäre ich nicht besser gewesen als irgendein Kidnapper, aber ich schob die Waffe an der rechten Seite des Mannes vorbei, und ihre Mündung glotzte einen der Gewehrträger an.
»Noch Fragen?«
Redburn wehrte sich. Er wollte sich durch Drehungen aus meinem Griff befreien, so daß ich härter zupacken mußte und meinen Arm schlangengleich um seine Kehle wand.
Die Männer gaben keine Antwort. Sie standen am Rand der Straße und starrten uns an.
»Wer will hier noch lynchen?«
Im Schein der Fackeln bewegten sich ihre zuckenden Schultern von oben nach unten. Das war alles.
»Gut, wenn keiner die Verantwortung auf sich laden will, was ich gut finde,
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