0520 - Ich jagte das Hexen-Trio
gewaltigen Zuchthauses versteckten sich hinter den dünnen Schleiern aus Nebel und schienen nur bei klarem Wetter aus dem Sumpf hervorzuwachsen.
Das Moor bot unzählige Verstecke. Es gab natürlich Menschen, die den Sumpf kannten, die als Kundige bezeichnet wurden, doch das gesamte Gebiet waren auch sie noch nicht durchwandert. Überall verbargen sich kleine, gefährliche Inseln, die auf dem tückischen Sumpf schwammen, umgeben von dichten Gräsern und hohem Schilf, das diese Inseln schützte. Menschliche Blicke durchdrangen diese Wand kaum. Es gab auch niemanden, der Interesse an ihnen gezeigt hätte.
Auf diesen Inseln konnte die Vegetation wachsen wie vor Hunderten von Jahren. Kein Mensch war da, der sie dabei störte.
Die Inseln gab es, die Inseln würde es immer wieder geben.
Sie wanderten in der blubbernden Masse. Faulgase stiegen hoch.
Zu den Personen, die seit langer Zeit das Moor beobachteten und auch die Vegetationsinseln liebten, gehörten drei Gestalten, die einmal sehr schön gewesen waren.
Die Grandi-Schwestern!
Man hatte sie vor langer Zeit gepfählt, da waren es die Menschen gewesen, die ihnen den Garaus hatten machen wollen. Doch es war jemand gekommen, der ihnen die Pflöcke aus den Körpern riß, und dieser Jemand, Servas mit Namen, hatte ihnen einen großen Gefallen getan und ihnen das »Leben« zurückgegeben.
Sie lebten, sie vegetierten, aber sie alle wußten von der Aufgabe, die sie zu erfüllen hatten.
Sie waren mächtig, sie wurden von Kräften gelenkt, die nicht von dieser Welt stammten, aber älter waren als die Welt. Sie hatten eine Aufgabe übernommen, und sie würden diese Aufgabe durchführen, bis ans Ende der Tage.
Für sie lohnte es sich noch immer, weiter zu existieren, denn es ging um ein Menschenkind.
Julie, hieß es.
Ein Kind, das von dem alten Fluch getroffen worden war und nach seinem Tod stets wiedergeboren wurde, um nach zehn oder elf Jahren zu sterben.
Ein Kreislauf bestehend aus Geburt und Tod, aber diktiert von den drei Grandi-Schwestern.
Von ihrer einstmals so strahlenden Schönheit war nicht mehr viel zurückgeblieben. Jetzt glichen sie schrecklichen alten Weibern, regelrechten Vetteln, mit braunen, rindenartigen Gesichtern. Es gab kaum Unterschiede zwischen ihnen. Man sah ihnen nicht an, wer nun älter war oder nicht. Sie besaßen auch die gleichen Haare. Verfilzte Fäden, die wie dichte Spinnennetze ihre hageren, langgezogenen Schädel umgaben und ebenso bleich und blaß wirkten wie die Augen ohne Pupillen.
So überdauerten sie die Jahre und auch die Jahrzehnte. Das Moor war für sie Versteck und Lebensinhalt geworden. Nur sehr selten verließen sie ihre kleine Insel, um in die nahen Orte zu gehen.
Manchmal hatten die Menschen sie auch gesehen. Dann war es stets zu panikartigen Reaktionen gekommen, und es gab seitdem eine Legende, die vom Spuk im Moor berichtete.
Die Schwestern freuten sich über diese alte Sage. Es bereitete ihnen Spaß, andere mit ihrem Anblick zu erschrecken, und der Spuk bekam stets neue Nahrung.
Nicht weit entfernt lag das große Zuchthaus. Immer wieder hatte es Ausbruchsversuche von Gefangenen gegeben, was für die Schwestern jeweils ein Festtag war.
Dann lockten sie die armen Kerle noch tiefer in den Sumpf und schauten zu, wenn sie versanken.
Bevor sich die Masse über die Ausbrecher schließen konnte, zeigten sie sich den Menschen. Ihren Anblick nahmen die Ausbrecher stets als letzten mit hinüber ins Jenseits.
Sie hatten die Zeiten überdauert, und sie hatten sich auf der Insel ein Versteck oder eine Behausung gebaut. Eine Hütte aus Pflanzen und Sträuchern, versteckt in einer Mulde und versehen mit einem dichten Dach aus biegsamen Zweigen.
Dort hielten sie sich auf, und dort stand auch der Baumstumpf.
Für sie ein Ersatz für einen Tisch.
Er war wichtig, denn auf ihm lag ein Gegenstand, den sie schon seit ihrer Existenz besaßen.
Es war eine Kugel!
Bestehend aus einem glasähnlichen Material. Sie war durchsichtig, konnte allerdings auch ihre Farbe wechseln, so daß die Seiten einen milchigen Schein bekamen.
Die Kugel »lebte«. In ihr steckte eine Kraft die auch die Grandi-Schwestern am »Leben« erhielt. Niemand hatte von ihr gewußt, auch nicht diejenigen Personen, die damals in ihre Hütte eingedrungen waren und die Schwestern gepfählt hatten. Sie hätten die Kugel ebenfalls zerstören sollen. Da dies nicht geschehen war, lebten auch die Grandi-Schwestern weiter.
Die Kugel war mit ihnen verbunden. Es gab eine
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