0527 - Der Grausame
verzichte.«
»Nicht an der Historie interessiert?«
»Schon. Nur gibt es im Moment wichtigere Dinge für mich. Vielleicht lese ich später alles nach.«
»Das bleibt Ihnen freigestellt.«
Mir gefiel das Verhalten des Grusel-Stars überhaupt nicht. Ich hatte van Akkeren schon anders kennengelernt. Als eine menschliche Bestie, als Killer, als Mann, der auf nichts und niemanden Rücksicht nahm. Seine Freundlichkeit war mir mehr als suspekt. Er mußte noch einen Trumpf in der Hinterhand halten.
Erkennbar für mich war er nicht.
Wir hatten drei Zimmertüren passiert, ohne daß etwas geschehen war. Dann hielt van Akkeren plötzlich an. Allerdings zwischen zwei Türen, und er drehte sich auch so, daß er gegen die Wand schauen konnte.
»Was soll das?« fragte ich scharf.
»Ich möchte Ihnen etwas zeigen, Sinclair!«
In mir schrillten Warnsignale. Meine Antwort fiel deshalb mehr als deutlich aus. »Ich habe Ihnen schon gesagt, van Akkeren, daß mich die Ahnen nicht interessieren.«
»Dieser hier sollte es.«
»Weshalb?«
»Es ist Ariol Le Duc!«
Ich mußte innerlich lächeln, denn mit dieser Bemerkung hatte er tatsächlich einen wunden Punkt bei mir getroffen. Mich interessierte alles, was mit Ariol Le Duc zusammenhing.
Schließlich gehörte er zu den mörderischen Templern und war an dem, was hier im Schloß geschehen war, nicht ganz unschuldig.
»Was ist mit ihm?«
»Darf ich einen halben Schritt zur Seite treten, Sinclair?«
»Sie dürfen.«
Er ging einen gleitenden Schritt nach links und gab mir das Blickfeld damit frei.
Ich starrte nach vorn, auf die Wand – und sah dort kaum etwas.
Einen Rahmen, in dem einmal ein Bild gesteckt hatte. Jetzt befand sich innerhalb des Rechtecks nur eine dunkelgraue Fläche. Jedenfalls dunkler als die übrige Wand.
»Was soll das bedeuten?«
Van Akkeren drehte mir sein Gesicht zu. Die eine Hälfte lag im Dunkeln, über die andere floß zuckender Kerzenschein. »Ich wollte Ihnen nur sagen, wo sich Le Duc befunden hat!«
»In diesem Rahmen?«
»Genau.«
»Dann war er ein Bild?«
Der Grusel-Star lächelte. »Ein Bild ist gut, fast sogar treffend. Es war ein außergewöhnliches Bild, ein dreidimensionales. Ein Zombie im Bild, verstehen Sie? Jeder dachte, es wäre ein Bild gewesen. Er war so starr, er bewegte sich nicht. Man konnte vor ihm stehen und ihn betrachten wie ein Gemälde. Dennoch steckte er voller Leben, wenn Sie verstehen. Er zeigte es nur nicht. Er lebte, war tot und wartete auf seine Stunde.«
»Die nun da ist.«
»Genau. Ich erweckte ihn. Sie wissen doch, Sinclair, die Kamera. Sie war im wahrsten Sinne des Wortes der auslösende Moment. Jahrhunderte hat unser Freund so verbracht, das ist nun vorbei. Der Rahmen ist vorhanden, Ariol nicht mehr.«
Van Akkeren hatte viel geredet, mich trotzdem nicht ablenken können.
Mir gefiel dieses leere Bild überhaupt nicht. An ihm war irgend etwas faul, das stand fest. Trotz verzweifelter Überlegungen kam ich nicht darauf, was dort nicht stimmte.
Die Farbe der Wand war dunkler.
»Sie überlegen, Sinclair?«
»Ja, und ich frage mich, weshalb Sie mich hergeführt haben.«
»Es ist nicht bewußt geschehen, ein reiner Zufall, weil wir uns auf dem Weg zu den beiden Gefangenen befinden.«
»Da will ich auch hin, und zwar so schnell wie möglich. Haben Sie verstanden?«
»Natürlich, alles klar. Sie müssen nur achtgeben, daß Sie nichts überstürzen.«
»Inwiefern?«
»Schauen Sie hin, Sinclair. Blicken Sie in den Rahmen. Sie werden überrascht sein.« Er strahlte mich förmlich an und begann auch leise zu lachen.
Ich war bisher wachsam gewesen. Jeder Mensch läßt einmal nach. Möglicherweise hatte ich auch zu stark auf seine Worte geachtet und weniger auf van Akkeren selbst.
Das rächte sich, denn er nutzte seine Chance.
Er war nahe an mich herangekommen. Stück für Stück. Als ich dies erkannte, war es schon zu spät.
Die Waffe – zudem zeigte die Mündung nicht direkt auf ihn – ignorierte van Akkeren und setzte alles auf eine Karte.
Er versetzte mir einen harten Stoß, der mich aus der eigentlichen Richtung brachte und dafür auf den leeren Bilderrahmen zuschleuderte. Automatisch streckte ich den linken Arm aus, um mich an der Wand innerhalb des Rahmens abzustützen.
Da war nichts mehr.
Ich griff ins Leere und hörte van Akkerens dreckiges Lachen…
Im selben Moment spürte ich den Sog, der mich in die Wand und in den Rahmen hineinriß…
***
Ich dachte nicht mehr an meine Waffe und auch
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