053 - Der Brigant
Schriftstücke irgendwelchen Wert haben.«
»Ich bin gerade wegen dieser Schriftstücke zu Ihnen gekommen«, sagte Anthony. »Ein Kunde hat mir den Auftrag erteilt, Sie aufzusuchen. Ein Vertrauensmann von Lord Witherall übergab ihm verschiedene Dokumente, deren Bedeutung ich Ihnen nicht verraten darf. Die Verwandten des Mannes - er selbst ist nämlich vor einigen Jahren gestorben - haben mir gesagt, daß diese Dokumente in dem Kasten aufgehoben wurden, den Sie gekauft haben. Der Mann hieß Samuels. Aber das war nicht der Name, unter dem er von Lord Witherall angestellt war. Sollte dieses Schriftstück in Ihrem Besitz sein, so ist mein Kunde bereit, Ihnen zweihundert Pfund für die Rückgabe zu zahlen. Das Schriftstück ist in Form eines Briefes abgefaßt, der an Samuels gerichtet ist.«
Mr. Flake war unter allen Umständen ein guter Geschäftsmann, und als solcher wußte er instinktiv, daß ein erstes Angebot von zweihundert Pfund der beste Beweis dafür war, daß die Sache größeren Wert hatte. Und als guter Geschäftsmann wollte er natürlich auch seinen Vorteil wahrnehmen.
Mr. Flake klingelte.
»Bringen Sie den Kasten, den ich neulich auf der Auktion bei Floretti kaufte«, sagte er zu der eintretenden Sekretärin.
»Ich kann Ihnen aber nicht versprechen, daß ich irgendein Schriftstück herausgebe, das in dem Kasten liegt. Geschäft ist eben Geschäft, und was verkauft ist, ist verkauft, Mr. Newton. Und Sie wissen ja, daß ich ein Geschäftsmann bin.«
Anthony nickte.
»Ich kann Ihnen nur sagen«, erwiderte er höflich, »daß die Verwandten von Samuels arme Leute sind, und soviel ich verstehe, ist dieses Schriftstück für sie von größtem Wert.«
»Ebenso für mich«, sagte Mr. Flake selbstzufrieden. »Ich bin auch arm. Wir sind alle arm - das Wort hat nur relative Bedeutung.«
»Ich glaube doch nicht, daß Sie Ihre Lage mit der der armen Leute vergleichen können«, entgegnete Anthony reserviert.
»Und ich bin sicher, daß Sie sich nicht auf Kosten dieser Leute bereichern wollen ...«
»Reden Sie doch nicht solchen Unsinn«, rief Montague Flake unwirsch. »Ich bin durchaus nicht sentimental. Ich habe mich aus eigener Kraft in die Höhe gearbeitet und habe mein Geld verdient, ohne mich viel um andere Leute zu kümmern. Geschäft ist Geschäft. Wenn ich hundertzwanzig Pfund für einen Sack zahle, so gehört mir auch die Katze, die ich darin finde. Das ist nun einmal so. Aber verstehen Sie wohl: Ich sage nicht, daß ich nicht verkaufen will«, fügte er hinzu, als seine Sekretärin den Kasten vor ihn auf den Tisch stellte. »Auch habe ich noch nicht gesagt, daß ich verkaufen will.«
Er schnitt die versiegelten Schnüre durch, die um den Kasten gelegt waren, und öffnete den Deckel. Der Kasten war bis zum Rande mit gelblichen Manuskripten gefüllt. Einzelne waren mit verblaßten, roten Bändern zu Bündeln gebunden, andere waren in Pergament eingeschlagen, es lagen aber auch viele lose Blätter darin.
Mr. Flake zögerte, nahm die erste Lage heraus und legte sie auf den Tisch.
»Sie sagten doch, es sei ein Brief?«
Anthony nickte.
»Das ist anscheinend das Manuskript eines alten Theaterstückes«, meinte Mr. Flake, »und dieses ...« er hob einen anderen schweren Packen auf, »... scheint das Originalmanuskript einer Geschichte zu sein. Aber hier sind Briefe.« Er nahm einen auf, um die Unterschrift zu lesen, und legte ihn dann wieder auf den Tisch.
Anthony sah die wartende Sekretärin an und schaute dann auf Mr. Flake.
»Würden Sie wohl erlauben, daß Ihre Sekretärin einmal die Telefonnummer von Sir John Howard und Sons nachsieht?«
Er nannte eine der größten Londoner Rechtsanwaltsfirmen, vor der selbst Mr. Flake Respekt hatte.
»Kommen Sie im Auftrag von Mr. Howard?« fragte er schnell. Anthony lächelte.
»Im Augenblick kann ich darüber noch keine Auskunft geben.« Er wartete, bis sich die Tür hinter dem Mädchen geschlossen hatte und rückte dann näher an Mr. Flake heran. »Ich kann Ihnen etwas im Vertrauen mitteilen. Ich handle im Auftrag von ...«
Er flüsterte Mr. Flake einen Namen ins Ohr und mußte, um ihn zu erreichen, an die Ecke des Tisches kommen und verdeckte dadurch einen Augenblick den Kasten, so daß Mr. Flake ihn dabei nicht sehen konnte. Und wenn jemand etwas ins Ohr geflüstert wird, kann er schwerlich das Knittern von Pergament hören.
Anthony hatte schnell nach dem offenen Kasten hinübergereicht und seine Hand schon wieder zurückgezogen, bevor Mr. Flake sich
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