053 - Der Gast aus dem Totenreich
…«
»Zur Furie«, half Dorian weiter.
Antonia nickte eifrig. »Ja. Ja, genau das. Sie tobte und schrie wie ein Teufel, gebrauchte abscheuliche Ausdrücke. Und dann sprudelte sie heraus, dass sie es schon lange nicht mehr ertragen könnte, wie er es mit den jungen Flittchen trieb. Dass sie etwas unternommen hätte, um sich an den Mädchen zu rächen. Dass sie Hilfe gesucht und gefunden hätte.« Sie schüttelte sich, senkte die Stimme. »Sie hatte einen Kreis von Frauen aufgetrieben, Frauen, denen es einst ähnlich wie ihr ergangen war. Betrogene Ehefrauen also, die Mittel und Wege entdeckt hatten, wie sie sich rächen konnten.« Antonia stand auf und ging auf und ab. »Ich hielt mich in einem Alkoven versteckt. Mein Herz schlug ganz entsetzlich, als die zwölf Frauen in den Salon traten. Weiber waren es, ganz in Schwarz gekleidet. Richtige Hexen. Eine sagte mit tiefer Stimme, jetzt würde die Geliebte des Maestro bestraft werden. Silvia richtete sich vom Boden auf. Ich konnte das kaum glauben – aber sie hatte keine Furcht. Sie sprach langsam und schleppend: Ihr könnt mir und meinem Liebsten nichts mehr anhaben, sagte sie. Kurz vor dieser Begegnung haben wir etwas getrunken, und ich hatte Gift in die Gläser getan … Und dann geschah es auch schon.«
Antonia schlug die Hände vors Gesicht, gab aber keinen Laut von sich.
»Die beiden entschliefen, ja?« Dorian ging zu ihr. »Sie brauchen das nicht zu schildern, Antonia.«
»Er starb als Erster«, sagte sie. »Dann Silvia. Ich dachte: Das erträgst du nicht. Gleich bist auch du tot. Die Bertini, dieses Satansweib, sagte, um Silvia sei es nicht schade, aber ihrem Mann wollte sie es nicht so leicht machen. Die zwölf schwarzen Hexen antworteten im Chor, es würde sich ein Weg finden lassen.« Antonia blickte Dorian an. »Ich weiß nicht, wie sie das gemeint haben, Dorian. Wirklich nicht. Sie brachten die Leichen hinaus, wohin, das weiß ich nicht. Ich floh. Ich erinnere mich noch an den düsteren Park und die Fledermäuse, die über die Bäume flatterten. Das ist alles.«
»Jetzt sehe ich viel klarer«, sagte Dorian.
»Antonia, wie fühlst du dich?«, fragte Caterina besorgt.
Das blasse Mädchen sah die Freundin an – und lächelte. »Du wirst es nicht glauben, Caterina: viel besser. Ich hätte nie gedacht, dass es mich so erleichtern würde, die ganze Geschichte zu erzählen. Ich habe immer Angst davor gehabt, aber jetzt – jetzt ist alles besser.«
Die Krankenschwester ging gegen vier Uhr nachmittags. So lange hatten der Dämonenkiller, Caterina und Antonia zusammengesessen und gesprochen.
Antonias Vater rief an und sagte, es würde an diesem Abend sehr spät werden. Er und seine Frau hätten noch verschiedene Klienten zu besuchen. Das Mädchen teilte ihm nur andeutungsweise mit, dass sie Besuch hatte.
Dorian rief Parker in Cinecitta an. Der versprach, sofort zu kommen. Tatsächlich erschien er bereits eine halbe Stunde später.
»Bleibe bitte, und achte auf die Mädchen!«, bat Dorian. »Du darfst sie auf keinen Fall aus dem Haus lassen. Es wäre unverzeihlich, wenn der Bann des Bösen auf sie übergreifen würde.«
»Die Lage spitzt sich zu?«, fragte Parker.
»Ja. Ich fahre zur Bertini-Villa, um ein paar Worte mit der Signora zu wechseln – falls ich sie antreffe.«
»Rian, es kann sein, dass ich kurz weg muss, denn ich habe aller Wahrscheinlichkeit nach noch einen kurzen Termin mit einem der Aufnahmeleiter. Er ruft mich an, sobald er frei ist. Was soll ich machen? Ich kann das unmöglich absagen.«
»Du schließt die Mädchen eben ein. Ich hoffe, dass ich nicht lange dort draußen bleibe, so dass ich dich rasch wieder ablösen kann. Caterina und Antonia, habt bitte Verständnis für diese Maßnahme!«
»Natürlich«, gab Caterina zurück.
Dorian Hunter verließ den Bungalow. Düstere Wolken ballten sich zusammen. Ein schwüler Wind blies über die Häuserdächer hinweg. Ein Gewitter kündigte sich an.
Dorian fuhr mit Caterinas weißem Alfa Duetto über eine der Tiberbrücken und dann zur Via Aurelia Antica hinaus. Er sann nach. Seine Vermutung war, dass Laura Bertini ihren Mann durch schwarze Magie von den Toten auferweckt hatte. Er musste ein Untoter sein. Dorian hatte kaum noch Zweifel.
Das Gewitter polterte los, als er ausstieg und durch das offene Tor in den Park der Villa schritt.
Dorian war überzeugt, dass eine Entscheidung fallen würde. Angst hatte er nicht, obwohl er wusste, dass er trotz allem sterblich wie jeder andere
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