0540 - Der Fluch der Zigeunerin
magischen Kreidezeichen angebracht war, die den weißmagischen Schirm sicherten. Mit der Zerstörung dieses Zeichens wurde die Abschirmung sofort schwächer. Sie brach zwar nicht völlig zusammen, aber Sid Amos konnte sie jetzt mühelos durchschreiten.
»Das wird Ärger geben«, warnte Zamorra.
»Ich werd’s überleben, mein Freund«, versicherte Amos.
Zamorra sah ihn durchdringend an. Er fühlte sich unbehaglich, wenn der Ex-Teufel ihn Freund nannte. Einst hatten sie sich bis aufs Blut bekämpft… Doch jetzt, nachdem Asmodis den Schwefelklüften den Rücken gekehrt hatte, waren Zamorra und Nicole praktisch die einzigen, die zu ihm hielten -oder besser gesagt, die gewillt waren, an seine Abkehr von der Hölle wirklich zu glauben. Gegenseitig hatten sie sich nun schon einige Male das Leben gerettet. Als einen Freund mochte Zamorra ihn dennoch nicht bezeichnen. Und ebensowenig wollte er von ihm selbst so genannt werden.
Aber er konnte Sid Amos kaum daran hindern. So, wie Tendyke ihn nicht daran hindern konnte, das Haus zu betreten.
Das gut dressierte Pferd voraus durch die Abschirmung zu schicken, war ein raffinierter Schachzug. Zamorra beschloß, sich diesen Trick zu merken - um vorbereitet zu sein, falls auch andere Dämonen auf eine solche Idee kamen.
»Was ist das für ein Pferd?« wollte Zamorra wissen. »Rob deutete etwas an, das fünfhundert Jahre zurückliegen soll…«
Sid Amos grinste.
»Das Pferd hat seinen fünfhundertsten Geburtstag schon ein paar Jahre hinter sich…«
Dann schritt er voraus in das Haus von Robert Tendyke.
In das Haus seines Sohnes!
***
Trier, 1491:
Wenige kamen davon. Elena und der einäugige Romano gehörten zu ihnen. Doch die sich wehrten, wurden von den Söldnern des Bischofs noch auf dem Platz erschlagen, die anderen gefangengenommen, befragt und gefoltert. Die nicht unter der Folter starben, wurden öffentlich verbrannt.
Elena, die vermummt und als Bettlerin verkleidet in die Stadt schlich, hörte viele verschiedene Erzählungen. Es schien aber so zu sein, daß Cigan, als er versucht hatte, das Goldstück gegen Silber und Kupfer zu tauschen, zusammen mit Hehlern und Münzfälschern von den Stadtbütteln erwischt worden war. Als sie ihm bei der Befragung beide Daumen zerquetschten, hatte er immer noch seine Unschuld beteuert. Aber er hatte behauptet, daß der Sippenführer Romano im Bund mit dem Teufel sei, der ihm das Gold gegeben habe. Damit war es ein Fall für den Klerus.
Die Schergen des Bischofs fielen über das Lager her und wüteten gnadenlos. Zumal sie auch noch Zeugen gewesen waren, wie die Zigeuner eine alte Frau lebendig begruben. Natürlich hatten sie keine Veranlassung gesehen, die Alte wieder auszugraben und damit vielleicht noch zu retten. Sie war selbst ja auch nur eine der Gottlosen. Daß es sich um einen wenn auch grausamen Brauch dieses Volkes handelte, interessierte niemanden.
Vier Jahre zuvor hatten die Mönche Sprenger und Institoris den »Hexenhammer« geschrieben. Die Heilige Inquisition schlug zu. Die Zigeuner, angeblich mit dem Teufel im Bunde, wurden der hochnotpeinlichen Befragung unterzogen - um schließlich als gottlose, ketzerische Teufelsanbeter und Hexen hingerichtet zu werden.
Elena war jetzt allein…
Ganz allein!
Die alte Blixbah war tot, ihr Großvater Romano spurlos verschwunden, die anderen erschlagen oder verbrannt. Die Familie, die ihr trotz aller Ächtung immer noch Halt gegeben hatte, existierte nicht mehr. Alles war vorbei; Von einem Moment zum anderen hatte die 19jährige Elena alles verloren. Selbst den Glauben an das Gute in den Menschen. Ihren Großvater und die anderen manusch hatte sie wenigstens noch verstehen können, denn sie handelten entsprechend den alten Traditionen. Selbst die Älteste Frau hatte nur den alten Gesetzen gehorcht, als sie befahl, Blixbah zu begraben. Es war furchtbar, aber normal.
Doch ausgerechnet jene, die sich Christen nannten und Menschlichkeit, Vergebung und Friedfertigkeit predigten, hatten im Namen ihres Glaubens Elenas Sippe einfach niedergeschlachtet. War das die Nächstenliebe, von der sie immer sprachen? War es das, was jener Nazarener in ferner Vergangenheit gewollt hatte? Jener Mann, der am Kreuz der Römer gestorben war, um das Böse aus der Welt zu nehmen und auf sich zu laden? Jener Christus, an dessen Botschaft auch viele roma glaubten?
Es war eine wundervolle Botschaft…
Doch die meisten Menschen erzählten sie nur, ohne in ihrem Sinne zu leben.
Da erinnerte Elena
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