0554 - Sie kam von den Sternen
ab, ohne eine Spur von ihr zu entdecken.
Nicht einmal ein fernes Leuchten sahen wir oder einen Schweif.
Lady Sarah fand als erste die Worte wieder. »Es ist mir ein Rätsel«, sagte sie leise und spielte mit ihren Ketten. »Ein echtes Rätsel, John. Oder wie denkst du darüber?«
»Ebenso. Nur weiß ich jetzt, daß ich zwei Personen jagen muß.«
»Wie meinst du das?«
»Einmal die Sternen-Prinzessin und zum andern eine Mörderin. Sie gibt sich als Engel aus, was wir alle gehört haben, aber sie tötet wie ein böser Mensch.«
Man gab mir recht. »Und in ihrer Gewalt befindet sich ein Kind!« flüsterte Jane. Auf ihrem Gesicht hatte sich eine Gänsehaut abgezeichnet. »Mein Gott, was machen wir jetzt? Wer ist der Junge?«
»Kevin heißt er«, sagte Suko.
Und Lady Sarah fragte: »Ob er tatsächlich nicht entführt worden ist?«
Die Frage hatte mir gegolten, und ich gab der Horror-Oma auch die Antwort. »Es wird sich feststellen lassen, ob in dieser Nacht oder an den Tagen zuvor: ein Kind entführt wurde.«
»Vorausgesetzt, die Eltern haben sich an die Polizei gewandt.«
»Sicher.« Ich war schon auf dem Weg zum Telefon und rief die Vermißtenabteilung beim Yard an. Dort war man nicht begeistert, als man meinen Namen hörte, doch als ich mein Problem vortrug und den Vornamen Kevin erwähnte, horchte der Kollege auf.
»Meinen Sie Kevin Long?«
»Keine Ahnung, mir ist der Nachnahme nicht bekannt.«
»Das ist ein, nein, der Sohn eines Kollegen. Rusty Long, kennen Sie den Mann nicht?«
»Nie gehört.«
»Arbeitet bei Rauschgift-Leuten. Ein harter Bursche. Seine Frau hatte angerufen, daß ihr Sohn von einer Sternen-Prinzessin entführt sein soll.« Er lachte. »So ein Quatsch…«
»Das glaube ich kaum. Wie sieht es aus? Wo wohnen die Longs? Ich muß mit ihnen reden.«
»Dann ist doch etwas an der Geschichte wahr?«
»Die Adresse, Mann.«
»Ja, schon gut.«
Ich bekam sie. Die Longs wohnten im Londoner Südosten. »Muß eine Reihenhaussiedlung sein«, sagte der Kollege.
»Gut, und Rusty Long finde ich zu Hause?«
»Natürlich.«
»Danke für die Information.«
Suko hatte derart nahe bei mir gestanden, daß ihm kein Wort des Gesprächs entgangen war. Ihm brauchte ich nichts mehr zu erklären. Er schnappte sich schon seine Jacke.
»Wo wollt ihr denn hin?« fragte Jane.
»Zu Kevins Eltern. Der Vater ist ein Kollege von uns. Kevins Mutter schlug Alarm.«
»Dann war es doch ein Kidnapping?« fragte Lady Sarah.
Ich hob die Schultern. »Das muß sich noch herausstellen. Zunächst einmal werden wir mit den Longs reden. Und haltet ihr hier die Augen offen.« Ich deutete auf das Buch. »Nicht verlieren, Sarah. Vielleicht hilft es uns, die Rätsel aufzulösen.«
»Das hoffe ich doch sehr.«
Suko und ich liefen nach unten. Vor der Haustür sagte mein Freund: »Jetzt bin ich nur mal gespannt, was wir uns da wieder aufgeladen haben. Aber eigentlich wollte ich schon immer mal eine Sternen-Prinzessin kennenlernen. Du nicht auch?«
»Nein, Suko…«
***
Die Mündung der Schußwaffe glotzte uns an wie ein gefährliches Auge. Gehalten wurde der stupsnasige Revolver von einem Mann, der eine rote Lederjacke trug und Jeans anhatte. Sein dunkles Haar fiel ihm tief in die Stirn. Darunter zeichnete sich ein Gesicht mit harten Zügen ab, einer wuchtig wirkenden Nase und einem Augenpaar, in dessen Pupillen die Furcht lag. »Wer sind Sie?«
»Begrüßen Sie stets Ihre Gäste auf diese Art und Weise, Mr. Long?« fragte ich.
»Kann sein.«
»Auch Kollegen?«
Long schaute Suko an, ließ den Revolver sinken und entschuldigte sich. »Kommen Sie rein!«
Erst im Flur erkannte er uns. Long nickte. »John Sinclair und Suko. Zwei Geisterjäger.«
»So ist es.«
»Wie sind Sie so schnell auf uns gekommen?«
»Über die Sternen-Prinzessin!« erwiderte ich.
»Ach – Sie auch.«
»Glauben Sie nicht daran?«
»Ich weiß es nicht. Kommen Sie ins Wohnzimmer, dort finden wir auch meine Frau.«
Der Raum war klein, aber hell möbliert. In einem der beiden Kiefernholzsesseln saß Linda Long. Eine schmale Frau mit verweinten Augen und einem blassen Gesicht. Sie trug einen hellroten Jogging-Anzug und rieb ihre Hände ständig über den Stoff der Oberschenkel.
Rusty Long stellte uns vor. Er sprach leise mit seiner Frau, fast zärtlich.
Zögernd reichte sie uns die Hand. Mit der anderen strich sie durch das dünne blonde Haar. »Glauben Sie mir auch nicht?«
»Doch, Mrs. Long«, sagte ich, »wir glauben Ihnen. Kevin geht es
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