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056 - Der Werwolf

056 - Der Werwolf

Titel: 056 - Der Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hivar Kelasker
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überging.
    Viele Bäume hatten ihr Laub schon verloren, der Rasen, frisch geschnitten, glänzte dunkel und feucht. Vor die Scheibe des fast vollen Mondes schoben sich einzelne kahle Äste drohend und unheimlich.
    Gerd trank die Tasse leer und stellte sie auf dem Tischchen ab.
    In einem der benachbarten Häuser begann ein Hund anzuschlagen. Gerd zuckte zusammen. Auch Hartmann wurde unruhig.
    „Ich glaube, wir werden schon hysterisch!“ brummte er.
    Das Bellen wurde lauter und aggressiver. Dem Klang nach war es ein großes Tier.
    „Der Hund bellt nicht ohne Grund!“ sagte Gerd. Er runzelte die Stirn.
    „Hunde bellen immer“, erwiderte Hartmann. „Mit und ohne Grund, meistens ohne.“
    Als wäre dies ein Stichwort gewesen, begann auch auf der gegenüberliegenden Seite der Straße ein Hund zu jaulen. Diesmal offensichtlich ein kleiner, der sich wie rasend gebärdete.
    Gerd Becker spürte, wie sich Unruhe und Angst steigerten.
    Hartmann lachte trocken.
    Der Arzt drehte sich um und sah Barbara neben dem Tisch stehen, unfähig, sich zu bewegen. Sie hielt einen Stapel Geschirr in beiden Händen und blickte ihn mit bleichem Gesicht an.
    Gerd ging schnell auf sie zu und nahm ihr Teller und Tassen aus der Hand.
    „Wir sind sicher!“ sagte er beschwörend. „Hier kommt der Wolf nicht herein!“
    Sie klammerte sich an seine Schultern.
    „Ich habe Angst!“ flüsterte sie. „Der Wolf ist hier irgendwo in der Nähe, Gerd. Ich fühle es, sonst würden die Hunde nicht so verrückt bellen.“
    „Beruhige dich“, sagte Gerd. „Soll ich die Rollos runterlassen, Liebling?“
    Barbara Franke zuckte die Schultern.
    Gerds Blick fiel auf die Waffe, die auf der Sitzfläche eines Stuhles lag. Er streckte die Hand aus und ergriff den Revolver.
    Im gleichen Moment rief Hartmann von der Terrasse her: „Doktor Becker! Schnell!“
    Gerd ließ Barbara stehen, drehte sich herum und rannte auf die Terrasse hinaus.
    Hartmann stand dicht an der Brüstung und deutete schräg nach unten.
    „Was ist los?“ stieß Gerd hervor.
    „Dort vorn bewegt sich etwas!“
    Gerd starrte angestrengt in die Dunkelheit. Genau in Blickrichtung stand ein großer Baum, eine Linde oder eine Kastanie. Im Schatten des Stammes, vor dem sich Mondlicht und Straßenbeleuchtung zu einem breiten Streifen Helligkeit vereinigten, bemerkte Becker eine Bewegung.
    „Ist das einer Ihrer Beamten?“ flüsterte Gerd.
    „Kaum. Sie sitzen in ihren Wagen. Ich muß hinunter. Hören Sie nur – die Hunde!“
    Das Gebell kam jetzt aus allen Richtungen. Heiseres Kläffen mischte sich mit langanhaltendem Jaulen und wütendem Geheul. Es war eine wilde, unbeherrschte Kakophonie, ein Chor aus unzähligen Hundekehlen.
    Hartmann wandte sich um und rannte an der erstaunten und verängstigten Barbara vorbei aus dem Zimmer. Die Wohnungstür krachte zuerst, weil die Kette sperrte. Dann rasselte es, schließlich fiel sie mit einem lauten Knall zu. Gerd Becker entsicherte die Waffe. Der dunkle Körper, der sich zwischen den Baumwurzeln verbarg, schob sich jetzt langsam hinaus in die hellere Zone.
    Gerds Ohren dröhnten von dem Gebell. Fenster flogen auf, wütende Stimmen waren zu hören, doch niemand verstand, was gesagt wurde, denn die Hunde der Umgebung steigerten ihren Chor zu einem wilden Furioso.
    Der Wolf! Dort unten lauerte er auf sein nächstes Opfer!
    Gerd erkannte die langen, schlanken Läufe, den spitzen Kopf mit den scharfen Zähnen, die im Licht funkelten. Halb im Schatten, halb im Licht saß er da, hob den Kopf und blickte Gerd Becker abwartend an.
    Keine zwanzig Meter Abstand waren zwischen ihnen.
    Der schwarze Wolf schien auf seine eigentümliche Weise zu lachen. In der Dunkelheit wirkte er noch drohender und gefährlicher als an dem Morgen nach dem Mord an Martha Franke.
    Die hellen Augen des Tieres bohrten sich ins Gesicht des Mannes.
    Einige Sekunden lang geschah nichts. Nur die Hunde bellten wie verrückt. Reifen quietschten, Autotüren klappten.
    Gerd löste sich gewaltsam aus der Lähmung, die dieser drohende Blick in ihm hervorgerufen hatte. Du bist der nächste, schien der Wolf sagen zu wollen.
    Dr. Becker ahnte, daß er keine bessere Chance mehr haben würde, den Wolf zu töten. Langsam hob er die schwere Waffe und zielte auf den dreieckigen Kopf der Bestie, genau zwischen die Augen. Der Lauf zitterte und schwankte ein wenig. Gerd zwang sich zur Ruhe, aber das half nichts. Mit der Linken umklammerte er das rechte Handgelenk. Dann faßte er hart zu; er kannte den

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