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056 - Der Werwolf

056 - Der Werwolf

Titel: 056 - Der Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hivar Kelasker
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schweren Rückstoß der alten Waffe. Sein Zeigefinger krümmte sich.
    Ein donnernder Krach. Eine Wolke beißenden Pulverdampfes machte die Sicht unmöglich. Schauerliches Heulen ertönte. Plötzlich verstummten die Hunde ringsum.
    Gerd hustete und sprang zur Seite.
    Weit beugte er sich über die Brüstung und sah den Wolf, der durch den hellen Rasenstreifen davon stob.
    Im gleichen Augenblick wurden zahlreiche Scheinwerfer aufgeblendet. Sie stammten von den Polizeiautos, die Hartmann hier zusammengezogen hatte.
    Außerhalb des Grundstücks krachten einige Schüsse. Heiseres Gebell, Jaulen und Kläffen, zwischendurch aufgeregte Stimmen. Endlich ein Kommando, von einem tragbaren Megaphon verstärkt.
    „Feuer einstellen! Laßt die Hunde los! Aber nicht alle!“
    Der Arzt blieb stehen und merkte nicht einmal, daß sein Schuß die Erstarrung gelöst hatte. Es war ein deutliches Signal gewesen. Barbara kam gelaufen, blieb neben ihm stehen und legte einen Arm um seine Schulter. Sie zitterte am ganzen Leib.
    Leise sagte Gerd Becker: „Ich glaube, ich habe die Bestie getroffen. Jetzt versuchen die Polizisten, sie zu fangen. Hörst du?“
    Ein Motor heulte auf.
    Durchdrehende Reifen kreischten laut, als sich einige der Streifenwagen in Bewegung setzten. Die Hunde des Viertels verhielten sich jetzt still. Draußen auf den beiden Straßen in unmittelbarer Nähe des Hauses, in dem Gerd Becker wohnte, nahm die Aktivität zu.
    Wieder hörten Barbara und Gerd die Lautsprecherstimmen: „Zwei Wagen in die Albrechtstraße! Der Wolf flüchtet nach Norden!“
    „Achtung, Wagen vier, nicht stehenbleiben. Fahrt dem Suchhund nach!“
    Gerd sicherte seine Waffe und legte sie auf den Tisch zurück.
    „Das war es“, sagte er, sich mühsam zur Ruhe zwingend. „Vielleicht erschießen sie ihn!“
    Er schob Barbara ins Zimmer zurück, ließ die Jalousien herunter und stellte sie so ein, daß sie zwar geschlossen waren, aber durch ihre Querritzen Luft und Geräusche durchließen.
    „Und wenn nicht?“ fragte Barbara, noch immer voller Angst.
    „Ich weiß es auch nicht, Babsi“, antwortete Gerd. „Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht lenkt es uns ab, wenn wir fernsehen und Wein trinken.“
    Sie deutete auf die Terrasse.
    „Warten wir erst einmal, bis sich die Aufregung draußen gelegt hat. Hartmann ruft sicher an. Oder er kommt selbst zurück.“
    „In Ordnung.“
    Für den Augenblick war ihre Angst in den Hintergrund gedrängt. Sie hatten Verbündete, die den Wolf verfolgten. Ob sie Erfolg haben würden war nicht sicher. Er warf Barbara einen Blick voller Ratlosigkeit zu.
     

     

Der schwere Wolf hatte eine Sekunde zu lange gezögert, ehe er weggelaufen war. Eigentlich hätte ihn der mörderische Ausdruck in Gerd Beckers Gesicht warnen sollen, doch er hatte darauf vertraut, daß ihm der Mann nichts anhaben konnte.
    Becker, der ihm die Frau genommen hatte! Er hatte die Waffe auf seinen Todfeind gerichtet und geschossen. Noch ehe der Donner des Schusses mit jähem Schmerz gegen seine Trommelfelle schlug, wühlte es sich wie ein Feuer in seinen Körper.
    Entlang der Rippen, dicht neben der Wirbelsäule, klaffte eine lange Wunde. Das Fell war abrasiert, die Haut aufgerissen und blutig. Er mußte eine dichte Spur von Blutstropfen hinterlassen haben, und die Polizeihunde, die ihn verfolgten, hatten es nicht schwer.
    So schnell er konnte, raste er über die leeren Wiesen und bildete mit seiner Spur und dem tropfenden Blut einen Kreis. Er mußte die Hunde in die Irre führen.
    Warum hatte der Schuß aus Beckers Revolver solch eine tiefe, schmerzende Wunde hervorgerufen, während er die Kugel des Försters kaum gespürt hatte? Diese Tatsache irritierte den schwarzen Wolf.
    Weit hinter sich sah er die Scheinwerfer der Polizeiwagen. Einige Hunde liefen in einem keilförmigen, dichten Rudel auf seiner Spur. Sie behinderten sich gegenseitig, weil auf der Fährte nur eine Hundenase Platz hatte, aber alle wie wild herum schnüffelten.
    Der Wolf verzog sein Maul zu einem breiten Grinsen. Er würde sie leicht übertölpeln können. Mit einem Sprung überquerte er seine eigene Spur, rannte hundert Meter weit auf ihr zurück, schlug dann einen Haken und sprang in den schmalen, reißenden Bach. Das Wasser war eisig kalt, und es stank so mörderisch, daß seine Nüstern förmlich zurückzuckten.
    Ich brauche ein Versteck, dachte er. Morgen ist Vollmond, wie damals, und ich muß ihre Angst ausnützen!
    Das Tier spürte, wie der Schmerz allmählich

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