057 - Die Tochter des Werwolfs
Tränen der Erleichterung, als sie ihr Kind fütterte. Im Keller erscholl das grauenhafte Heulen des Werwolfes.
Die kleine Petra entwickelte sich zu einem munteren, aufgeweckten Kind. Nichts an ihr deutete auf eine werwölfische Veranlagung hin. In der ersten Zeit hatte die Mutter in jeder Vollmondnacht am Bett des Babys gesessen, später tat sie es nur noch manchmal.
Als Petra älter wurde – vom siebten Lebensjahr an –, musste sie in den Vollmondnächten aus dem Haus, zu Tante Anita. Bernd Sommer hatte in dem Jahr nach der Geburt des Kindes in der Gartenstraße ein Haus gebaut, wie er es sich vorgenommen hatte. Dort wohnten die Sommers nun, und Petra musste fort, wenn ihr Vater zum Werwolf wurde, denn sie hätte etwas erfahren und mit ihrem kindlichen Gerede alles verraten können.
Gisela schlief ebenfalls bei Vollmond oft außer Haus bei ihrer Tante, um Petra zu beobachten. Noch nistete tief in der Frau die Angst. Aber Petra wurde zwölf, vierzehn Jahre, und nichts geschah. Sie besuchte das Gymnasium und wollte Tiermedizin studieren, da sie Tiere sehr gern hatte.
Tante Anita, eine bäuerliche Frau um die Fünfzig, dachte sich sicher allerlei über Bernd Sommers »Malaria«. Aber sie war von Natur aus eine schweigsame Frau und sprach mit niemandem darüber. Petra war der Sonnenschein ihrer Eltern, ein lebenssprühendes Mädchen, das sich zu einer ausgesprochenen Schönheit entwickelte.
Sie hatte die schwarzen Haare der Mutter und die blauen Augen des Vaters. Mit vierzehn sah sie bereits aus wie sechzehn oder siebzehn, und es gab keinen Jungen, der bei ihrem Anblick keine sehnsüchtigen Träume bekam. Petra war bildschön, noch schöner, als Gisela es je gewesen war.
Bernd Sommer war sehr dankbar, dass er das Glück eines solchen Familienlebens genießen durfte.
Dorian las im Hotelzimmer die Zeitung und hörte die Rundfunknachrichten. Wiederum wurde davon berichtet, dass zwei Männer aus Unterweltkreisen mit zerfetzten Kehlen aufgefunden worden waren. Nach Meinung der Polizeiärzte waren ihre Kehlen von einem Raubtier durchbissen worden.
Ein Reporter hatte aus diesen vagen Anhaltspunkten – der Fall barg Rätsel über Rätsel – das Schlagwort vom Wolf von Frankfurt geprägt. Es gab Gerüchte, nach denen Straßenmädchen ein Monster gesehen haben wollten, das eine schwarzhaarige Frau davonschleppte.
Aber das wurde allgemein als Hirngespinst abgetan. Tatsache war, dass die beiden Ermordeten in engem Kontakt mit dem stadtbekannten Zuhälter Jürgen Henicke gestanden hatten. Und der war spurlos verschwunden.
Dorian erreichte Professor Thomas Becker in seiner Privatwohnung nicht. Die Bankierstochter, mit der er zusammenlebte, meldete sich. Dorian sagte, er müsse Thomas Becker dringend sprechen, und sie nannte ihm eine Telefonnummer.
Zu Dorians Überraschung meldete sich unter dieser die okkultistische Freimaurerloge. Dorian nannte seinen Namen. Sofort wurde er mit Becker verbunden.
»Mr. Hunter?«
»Ich habe gerade die Nachmittagszeitung gelesen und die Nachrichten gehört. Ich meine den Doppelmord in der Strahlenberger Straße. Nach meiner Ansicht muss der Täter ein Werwolf sein. Es passt alles zusammen, es ist zurzeit Vollmond.«
»Ich fragte mich schon, wann Sie Wind von der Sache bekommen würden, Mr. Hunter.«
»Sie haben also schon bei unserem Zusammentreffen heute Vormittag darüber Bescheid gewusst?«
Coco Zamis hatte sich aufs Bett gesetzt. Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte sie Dorian überrascht an.
»Ich habe ausgezeichnete Verbindungen. Zwei Leute von der Kripo gehören zu unserer Loge. Einer von ihnen ist mit der Bearbeitung dieses Falles beschäftigt. Sie können sicher sein, dass er eine mit Silberkugeln geladene Pistole bei sich trägt.«
»Wenigstens einer. Dann brauchen Sie den Werwolf nur noch zu finden und zur Strecke zu bringen, und alles ist in Ordnung.«
»Nun werden Sie nicht sarkastisch, Mr. Hunter. Ich gebe zu, ich habe Ihnen die Information über das Auftauchen eines Werwolfs vorenthalten, weil ich verärgert über Sie war. Vielleicht war es eine billige Revanche. Aber wir sollten jetzt miteinander arbeiten.«
»Der Meinung bin ich auch. Ich habe Ihnen übrigens auch nicht alles erzählt. Trevor Sullivan, mein früherer Vorgesetzter beim Secret Service, ist wegen eines Werwolfs nach Deutschland gekommen, den er in einem Gefangenenlager kennen gelernt hatte. Es scheint, dass dieser Werwolf noch in der Nähe von Frankfurt oder in Frankfurt lebt. Ich finde das sehr
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