0575 - Vampir-Gespenster
wider. Ich streichelte über seine Wangen. Sie waren kalt. Er hielt mein rechtes Gelenk fest.
»Mutter ist weg, John. Versprich mir, daß du sie suchen und befreien wirst. Ich habe den Brief gelesen. Mutter bittet darin um etwas. Wenn es tatsächlich so kommen sollte, dann, John… mein Gott, was wirst du dann tun?«
»Ich weiß es nicht, Dad. Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe keine Ahnung.«
»Könntest du sie töten?«
Er ließ nicht locker. Das Problem quälte ihn. Es drückte wie ein Alp auf seine Seele.
»Dad, ich kann es dir beim besten Willen nicht sagen. Es ist alles anders, glaub mir.«
»Nun ja, John, du kannst sie dann auch einsperren. In einen Keller, sie soll dort…« Mein Vater redete wirr. Er war fix und fertig.
»Wenn es soweit ist, reden wir darüber, Dad. Ich gebe dir Bescheid.«
»Suchst du sie, John?«
»Ja, ich jage den Blutsauger. Ich werde Mutter zurückholen, wie auch immer.«
»Bitte, gib mir ein Glas Wasser.«
Das holte ich aus der Küche. Auch ich mußte etwas trinken und entschied mich für einen Whisky.
Vater mußte das Glas mit beiden Händen halten, während ich neben ihm stand, den Whisky schluckte und mit leeren Blicken durch das Fenster schaute.
Draußen fuhren zwei Wagen vor. Der eine gehörte dem Hausarzt, der andere der Ambulanz. »Wie geht es dem bockbeinigen Alten?« fragte der ruppig wirkende Doc bereits an der Tür.
»Ich weiß es nicht.«
»Diesmal entkommt er mir nicht. Ich habe in meinem Haus einige Krankenzimmer. Da ist für ihn ein Bett frei.«
»Das ist gut, Doc!«
Zwar versuchte mein Vater zu protestieren, als er den Arzt sah, es nutzte nichts. Diesmal ließ sich der Mediziner nicht überreden. Der alte Herr wurde auf die Trage gelegt und nach draußen getragen.
Ich ging neben ihm her und spürte die Hand meines Vaters an der meinen. Die alte Eiche verschwamm vor meinen Blicken.
Bevor die Trage in die Schienen geschoben wurde, meldete sich Dad noch einmal. »Junge«, flüsterte er, »versprich mir bitte, daß du alles tun wirst, um sie zu retten. Versprich es mir noch einmal!«
»Ich verspreche es, Dad! Ich werde ihn jagen, ich werde ihn fertigmachen, darauf kannst du dich verlassen.«
»Ja, mein Junge!«
Der Arzt sprach mich an. »Wir brauchen uns nichts vorzumachen, John. Ich kenne Ihren Job und weiß auch, was hier im Ort gelaufen ist. Es hat sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Wenn eben möglich, verschonen Sie Ihren Vater mit Hiobsbotschaften.«
»Klar. Sein Herz?« fragte ich.
»So sieht es aus. Es war der Schock, der zuviel für ihn gewesen ist. Aber ich werde den alten Tiger wieder auf die Beine kriegen. Es liegt auch etwas an Ihnen.«
»Ich habe verstanden, Doc.«
Die beiden Wagen fuhren ab. Blaß schien die Sonne. Ihre Strahlen fingen sich im Geäst der mächtigen Eiche und streichelten auch den dunklen Lack des abgestellten BMW.
Ich ging wieder zurück ins Haus. In ein leeres Haus, in dem für mich immer ein Platz war.
In dieses Zimmer ging ich.
Das Bett, der Schrank, verdammt noch mal, es stieg wieder in meiner Kehle hoch.
Hart drehte ich mich um und preßte die Lippen so fest zusammen, daß sie einen blassen Strich bildeten. Mein Herz schlug schneller.
Ich wollte nicht mehr länger bleiben und verließ fluchtartig das Haus meiner Eltern.
Draußen peitschte der kalte Wind in mein Gesicht und trocknete die Haut.
Ich hatte das Gefühl zu schweben, als ich mich auf den BMW zubewegte.
Hinter dem Lenkrad blieb ich sitzen. Für eine Weile starrte ich nur durch die Frontscheibe. Nicht mehr lange, und die Dämmerung würde hereinbrechen.
Am Himmel zeichnete sich bereits die Scheibe des Mondes ab.
Vollmond – ideal für diese verfluchten Vampirgespenster, die in der Nacht unterwegs sein würden.
Ich startete den Wagen, dachte an Suko und hoffte, daß er vielleicht etwas herausgefunden hatte…
***
Unterwegs hatte ich die Richtung geändert und fuhr auf das Café zu, in dem sich der Blutsauger gezeigt hatte. Tagsüber! Das schaffte auch nicht jeder Vampir, aber Mallmann hatte von dem alten Blut getrunken, das sich aus besonderen Zutaten zusammensetzte.
Die Fahrt durch einen Teil der kleinen Stadt war für mich fast zu einem Spießrutenlauf geworden. Durch den Arzt wußte ich, daß sich die Vorgänge herumgesprochen hatten. Jeder in Lauder schien Bescheid zu wissen. Dementsprechend waren auch die Blicke, mit denen man mich bedachte. Nicht feindlich oder gleichgültig, vielmehr bedauernswert und mitleidig.
Ich parkte
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