0582 - Das Monstrum
im Weg!
Es dauerte seine Zeit, bis er die Überraschung verdaut hatte. Aber es dauerte nicht zu lange. Mit einer blitzschnellen Wendung drehte er sich auf der Stelle und rannte weg.
Campbell wußte nicht, wie schnell der Stein war, er konnte sich allerdings vorstellen, daß es ihm auch gelingen würde, die Geschwindigkeit zu steigern. Deshalb setzte auch er auf Tempo und gratulierte sich selbst dazu, daß er topfit war.
Das Gewicht der Tasche merkte er kaum. Er wollte sie zudem nicht zurück auf dem Friedhof lassen.
Zum Glück war der Weg ziemlich eben. An einigen Stellen lag Kies. Da schimmerte er dann heller als dort, wo er nur mit der reinen Schotterasche bedeckt war.
Dick atmete regelmäßig. Das war er von seinen Waldläufen gewohnt, die er am Wochenende durchführte. Aber da wurde er nicht von einem fliegenden Grabstein gejagt.
Das sah heute anders aus.
Im Laufen warf er einen Blick zurück über die Schulter. Er sah den Stein nicht, plötzlich schoß Furcht in ihm hoch, weil er damit rechnete, daß die Distanz zwischen ihm und dem Stein geschmolzen war.
Im Laufen drehte er sich um, rannte rückwärts, längst nicht mehr so schnell, hob die Beine höher, weil er auf keinen Fall stolpern wollte – und sah das Schreckliche.
Der wuchtige Stein hatte aufgeholt.
Er war so breit und mächtig, daß er das gesamte Gesichtsfeld des jungen Mannes einnahm.
Dick schrie auf, er spürte bereits den Luftzug, des heranfliegenden Gegenstandes, als er die Tasche losließ und sich mit einem gewaltigen Hechtsprung nach rechts katapultierte. Wo er hinsegelte, konnte er nicht sehen. Es war ihm auch egal, er wollte nur weg von diesem verdammten Weg und aus der unmittelbaren Nähe des Grabsteins verschwinden.
Dick spürte noch den Luftzug, als der Stein ihn passierte, dann knickten Zweige unter seinem Gewicht zusammen. Mit dem Gesicht landete er in der feuchten Erde und schmeckte die Krumen auf den Lippen. Sofort rollte er sich herum, stieß sich wieder ab, hechtete durch das Gebüsch und verwandelte den Sturz in eine Rolle, die ihm soviel Schwung gab, daß er wieder auf die Beine kommen konnte.
Sofort schaute er dem Grabstein hinterher!
Er wollte vor Freude lachen, das schaffte er nicht. Er sah nur, daß der Stein seinen »Flug« fortgesetzt hatte, ohne ihn zerquetscht zu haben. Einsam und verlassen lag seine Tragetasche mitten auf dem Weg. Er ging hin, hob sie hoch, blieb stehen, beugte sich vor, atmete tief durch und konnte auf einmal nicht anders, er mußte einfach lachen.
Ja, er lachte. Zugleich aber schüttelte ihn die Furcht. Er konnte noch immer nicht fassen, was ihm da widerfahren war. Er war von einem Grabstein verfolgt worden. Von der steinernen Gedenkstätte des Kino-Mörders. Schon damals hatten einige Reporter in Artikeln behauptet, daß dieser brutale Täter mit übersinnlichen Kräften in Verbindung gestanden haben soll, wie Geistern, Dämonen oder anderen Gestalten der Finsternis.
Daran hatte Dick Campbell nicht glauben wollen. Nun allerdings sah er die Dinge in einem anderen Licht. Er hatte etwas Unheimliches erlebt, war von einem Grabstein, der wie ferngelenkt wirkte, verfolgt worden. Aber wer konnte so etwas lenken, was es einfach nicht geben durfte. Darin steckte doch kein Motor.
Außersinnliche Kräfte?
Er schüttelte den Kopf und schritt langsam den Weg zurück. Nach wenigen Yards schon blieb er stehen. Nein, er wollte nicht mehr zurück zur Grabstätte. Darum mußten sich jetzt andere kümmern. Die Polizei, zum Beispiel. Oder auch Scotland Yard, schließlich waren es seine Beamten gewesen, die den Killer damals gestellt hatten.
Ja, das war eine Lösung, obwohl ihm die nicht so recht gefiel, denn er hatte trotz allem die Befürchtung, sich bei den Polizisten lächerlich zu machen.
So entschied sich Dick Campbell, zunächst ein Polizeirevier aufzusuchen und seine Beobachtungen dort zu Protokoll zu geben. Der Weg über den Friedhof war ihm noch nie so lang vorgekommen wie in dieser verfluchten, naßkalten Nacht.
Immer wieder blieb er stehen, schaute in die Runde, ohne den Stein entdecken zu können.
Der Nebel, die Dunkelheit, der Sprühregen – sie alle schienen ihn verschluckt zu haben.
Gerade das wollte Dick Campbell nicht glauben. Er rechnete damit, daß der mörderische Grabstein noch unterwegs war.
Irgendwo…
***
Im Revier schaute ihn der Desk Sergeant an, als wäre er geisteskrank. Dick hatte bewußt den Chef verlangt, der Gefallen war ihm auch getan worden. Der Sergeant, schon
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