0582 - Das Monstrum
der Themse und dem Eastern Dock, wo abgerissen und neu aufgebaut wird.«
»Und wie heißt der Friedhof?«
»Der gehört zu Whitechapel.«
Ich winkte ab. »Den kenne ich. Er ist ziemlich klein.«
Sir James lächelte, als er seinen Stuhl zurückschob. »Was wollen Sie machen, John? Soviel Platz haben wir auch nicht mehr für all unsere Toten.« Er blickte auf die Uhr. »Mich wundert nur, daß Suko noch nicht hier ist. Dauert ein Ölwechsel so lange?«
»Manchmal schon, Sir.«
»Na ja, gönnen wir ihm die Zeit. Sie informieren mich dann?«
»Geht klar.«
»Viel Erfolg.« Sir James verschwand aus meinem Büro, und ich schaute aus dem Fenster.
Vorbei war der österliche Sonnenschein. Am Himmel hing jetzt eine dicke graue Last.
Das richtige Wetter für einen Besuch auf dem Friedhof…
***
Es kam nicht oft vor, daß Suko sich dermaßen viel Zeit mit dem Frühstück lassen konnte, aber Termin ist Termin, und der BMW-Händler hatte nicht davon abweichen können, auch wenn es sich nur um die Kleinigkeit eines Ölwechsels handelte. Der Winter war gelaufen, eigentlich sogar ausgeblieben, so wollte Suko auch die Sommerreifen aufziehen lassen.
Suko, der aus China stammte, hatte sich längst umgestellt. Zum Frühstück aß er Müsli und Obst, auf die Bräuche seiner alten Heimat nahm er keine Rücksicht mehr.
Dabei las er die Zeitung, informierte sich kurz über das Weltgeschehen und anschließend über die Dinge, die in London passiert waren. Es gab keine Nacht, wo es nicht irgendwo rundging. Dafür war London einfach zu groß, und die Stadt wuchs noch weiter, wobei es natürlich auch zu gewissen Auswüchsen kam.
Suko bewohnte das Apartment neben dem seines Freundes John Sinclair, der auch Geisterjäger genannt wurde. John war bereits ins Büro gefahren. Er hatte noch immer am letzten Fall zu knacken, der nicht so abgelaufen war, wie er und Suko es sich vorgestellt hatten.
Sie hatten zwar den Blutstein gefunden, doch Mary Sinclair befand sich nach wie vor in den Händen des Vampirs Mallmann.
Suko aß gerade einen Apfel, als das Telefon anschlug.
Die Stirn des Inspektors legt sich in Falten. Er konnte sich denken, daß es sein Freund John Sinclair war, der etwas von ihm wollte.
Vielleicht ging es wieder rund.
Als er sich meldete, erklang eine Frauenstimme. »Spreche ich mit Inspektor Suko?«
»Das ist richtig.«
»Ich bin Melody Ingram. Erinnern Sie sich an mich?«
»Harn«, machte Suko, »müßte ich das?«
Ein leises Lachen klang ihm entgegen. »Eigentlich schon. Sie haben mir schließlich das Leben gerettet.«
»Tatsächlich? Wann?«
»Nun ja, es ist ungefähr drei Jahre her. Damals machte ein gewisser Dale Warren London unsicher. Sie erinnern sich wirklich nicht mehr an den Kino-Mörder?«
»Ha, natürlich, Melody. Wie könnte ich das vergessen! Ich war nur für einen Moment ziemlich von der Rolle.«
»Das habe ich bemerkt.«
»Sorry, wie geht es Ihnen, Melody?«
»Bisher recht gut, aber das könnte sich ändern.«
»Probleme?«
Sie zögerte etwas. »Es deuten sich welche an. Ich weiß auch nicht, wie ich es sagen soll, es kommt mir sogar lächerlich vor. Als Polizistin denkt man über gewisse Dinge anders, aber ich glaube, daß uns dieser Fall noch einmal berührt.«
»Wie das?«
»Es ist da eine Sache passiert, die mir bei Dienstantritt zu Ohren kam. Ich rief in Ihrem Büro an, da sagte man mir, daß Sie später kommen würden.«
»Ich muß den Wagen wegbringen.«
»Gut.« Sie räusperte sich und stellte die nächste Frage direkt.
»Können Sie sich vorstellen, daß ein zentnerschwerer Grabstein aufsteigt und durch die Luft fliegt? Können Sie das glauben, Inspektor?«
»Von allein soll er fliegen?«
»So sagte es der Zeuge.«
»Nur schwerlich.«
»Es ist aber passiert. Ich las es in der Meldung. Ein Grabstein hat sich erhoben und den Zeugen verfolgt. Der Mann hatte Glück, daß er nicht zerschmettert wurde.«
»Wo passierte das?«
»Auf dem kleinen Whitechapel Cementery.«
»Und weiter?«
Ihre Stimme wurde um eine Nuance ernster. »Dieser Grabstein jagte also hinter dem Mann her, der soeben noch entkommen konnte. Das allein hätte mich zwar stutzig werden lassen, aber ich hätte mich nicht weiter dafür interessiert. Nun raten Sie mal, wessen Grabstein das war?«
»Wenn Sie mich so fragen, Melody, dann müßte ich sagen, daß er zu Dale Warren gehörte.«
»So ist es!«
Suko war für eine Weile still. Er horchte nach innen und holte durch die Nase Luft.
»Sie sagen ja nichts.
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