0582 - Das Monstrum
Stein sein Tempo beibehielt.
Uns blieb nur eine einzige Chance.
Rein in das halbfertige Gebäude.
»Durch das Fenster!« brüllte ich. »Hau ab, Dick!«
Campbell reagierte. Er stürzte vor und stieß sich ab. Wir hatten Glück im Unglück gehabt. Der Aufzug hatte nicht zwischen zwei Etagen gestoppt, sondern fast vor einem Fenster.
Mit einem Hechtsprung katapultierte sich Dick durch die Öffnung.
Ich sah nicht, wie er aufkam, denn ich hatte meine Beretta gezogen und zielte auf den Brocken.
Kugeln gegen diesen harten Stein! Eigentlich eine lächerliche Sache, aber meine bestanden aus geweihtem Silber, und der Grabstein wurde von einer schwarzmagischen Kraft gelenkt. Vielleicht erreichten meine Geschosse doch etwas.
Zweimal feuerte ich.
Den Weg der Kugeln konnte ich wegen der hohen Geschwindigkeit zwar nicht genau verfolgen, doch ich sah, wie sie einschlugen und so etwas wie Feuer aus dem Material hervorspritzte.
Kleine Flammen, vermischt mit einem grellen Licht. Für eine winzige Zeitspanne wurde der Flug des Steins gestoppt. Auch bekam ich den Eindruck, als würde sich das Gesicht verziehen.
Dann segelte er weiter, leicht schwankend. Er sah aus, als wollte er jeden Augenblick kippen.
Hätte ich nicht auf einer Aufzug-Plattform gestanden, ich hätte es noch mit meinem Kreuz versucht. So aber war mir die Unterlage zu gefährlich.
Ich wagte es und drehte ihm den Rücken zu, weil ich frontal durch das Fenster springen wollte.
Dick Campbell sah ich ebenfalls.
Sein Gesicht zeigte noch immer den panischen Schrecken.
»Weg!« brüllte ich ihn an und hechtete genau auf die viereckige Öffnung zu.
Dick tauchte wie eine Säule vor mir auf. Entweder hatte er noch nichts gehört, oder er war vor Schreck gelähmt. Ich prallte noch gegen ihn und stieß ihn mit der Schulter um.
Er kippte nach hinten, ich nach vorn und donnerte hart auf den rauhen Beton. Nicht eine Sekunde konnte ich mich ausruhen. Der Mantelstoff in der Höhe der Ellenbogen ging in Fetzen. Ich schrammte mir die Haut auf, gab mir noch einmal Schwung, überschlug mich und hörte es hinter mir krachen und donnern.
Es war ein Geräusch, als würde in der Nähe ein Erdbeben toben, das alles zerstörte.
Staub wallte auf. Ich hetzte irgendwie weiter, sah plötzlich eine geländerlose Treppe und fiel die Stufen hinab, wobei ich das Glück hatte, mich zu fangen und an der Wand abzustützen, um nicht in die Tiefe links des Schachts zu segeln.
Ich kam zur Ruhe, hatte blaue Flecken bekommen, vernahm noch immer das Krachen und sah eine Staubwolke aus einem Loch quellen, wo sich vor wenigen Sekunden noch eine Wand befunden hatte.
Plötzlich dachte ich an Dick Campbell. Ihn konnte ich in der Wolke von Staub leider nicht entdecken. Etwas stieg gallenbitter vom Magen hoch in meine Kehle.
Der Staub verdichtete sich noch stärker und breitete sich auch aus.
Aus der Tiefe des Hauses peitschten grelle Stimmen zu mir hoch. Irgendwo heulten Sirenen, das alles waren Äußerlichkeiten, die mich nicht kümmerten. Ich wollte wissen, was mit Campbell geschehen war.
Die Treppe stand noch. Ich stieg die Stufen hoch und kam mir fast vor wie ein Blinder, denn so dicht hüllte mich der verdammte Staub ein. Tastend streckte ich die Arme aus, griff in die Wolken hinein, ohne ein Hindernis zu fühlen.
Über die letzte Kante stolperte ich noch und sah bereits den Berg aus Trümmern.
Es lag alles durcheinander.
Steine, Beton, das dünne Eisen, das Mauern innen zusammenhielt.
Ein mörderisches Durcheinander, umwabert von Staub- und Zementwolken, deren Partikel auch mich bedeckten und auf meinem Gesicht kratzten. Über verkantet stehende Platten stieg ich hinweg, wischte Staub zur Seite und sah dann ein Bild, vor dem ich mich eigentlich gefürchtet hatte.
Es war Dick Campbell!
Ich hatte entwischen können, er nicht. Zwar war er noch zur Seite gewichen, doch genau in die fallenden Trümmer hineingeraten, die ihn teilweise unter sich begraben hatten.
Seinen Kopf sah ich, einen Teil der Schulter und auch eine Hand, deren Finger sich wie ein blutbeschmiertes Mahnmal in die Höhe reckten. Der junge Mann hatte nicht die Spur einer Chance gehabt.
Die schweren Trümmer hatten ihn restlos zerquetscht.
Ich wandte mich ab, wieder den bitteren Gallengeschmack im Mund. Mit zitternden Knien schritt ich in den Staub hinein, dann die Stufen hinab und hörte die schweren Tritte der Männer. Sie rannten noch, denn sie trauten sich nicht mit dem Außenaufzug zu fahren.
Mir tat einiges weh,
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