0582 - Das Monstrum
war.
Die Treppe schwang sich im Bogen nach oben. Über die Steinstufen hinweg zog sich ein grauer Teppich wie der breite Körper einer enthäuteten Schlange.
Für mich von Vorteil, denn meine Schritte waren kaum zu hören.
Meine Handfläche schleifte über das Eisengeländer an der linken Seite. Die war mit vergilbten Bildern irgendwelcher Filmstars beklebt. Viele von ihnen lagen bereits unter der Erde. Auch Plakate entdeckte ich. Ebenfalls vergilbt und eingerissen.
Nach der Treppe mußte ich mich nach rechts halten, wo ein schmaler Gang begann, der geradewegs auf die Vorführkabine zuführte. In der Länge schwer abzuschätzen, vielleicht acht Yards.
Die Tür zur Kabine stand offen. Still war es nicht, ich vernahm das Geräusch des Projektors und konnte Patterson beim ersten Hinsehen nicht entdecken.
Nur die Projektor-Maschine malte sich im schwachen Licht einer Notbeleuchtung ab.
Weshalb hatte der Mann das Licht ausgeschaltet? Ich wurde noch vorsichtiger und holte die Beretta hervor. Wenn Patterson mich sah, würde er sich bestimmt erschrecken, aber…
Da sah ich den Schatten!
Es war eine Gestalt, die sich zur Seite bewegte. Obwohl ich nur ihren Rücken sah, wußte ich sofort, daß es nicht Patterson sein konnte.
Der besaß längst nicht ein so breites Kreuz.
Ein anderer jedoch sah so klotzig und auch breit aus, betrachtete man seinen Rücken.
Der Killer!
Oft genug hatte ich ihn auf der Leinwand sehen können. Und plötzlich lagen kleine Schweißperlen auf meiner Stirn. Wenn Patterson nicht in der Kabine tätig war, gab es nur eine Lösung.
Mein Herz schlug schneller, ich bewegte mich vorsichtig auf mein neues Ziel zu. Die Lippen kamen mir ausgetrocknet vor, den Mund hielt ich halboffen und atmete so flach wie möglich.
Näher und näher schob ich mich an die Kabine heran, dabei immer auf dem Sprung stehend.
Dann stand ich in der Tür.
Links vom Projektor sah ich den Killer. Auf dem Boden lag Patterson und rührte sich nicht. Ob er tot war oder noch lebte, konnte ich nicht erkennen.
Aber ich hielt die Beretta fest.
Der Mörder bewegte sich. Er hat sich vorgebeugt und stand dicht vor einer Lücke, durch die er einen Gegenstand geschoben hatte.
Vor ihm, auf einer fensterbankartigen Ablage schimmerte der blanke Stahl einer Machete.
Dieser Anblick löste bei mir einen Schauer aus. Ich dachte an die Szenen des Films, so etwas wollte er wiederholen.
Nicht bei mir.
Ob brutaler Mörder oder Dämon, ich brachte es einfach nicht fertig, jemand in den Rücken zu schießen. Dann hätte ich mich mit denen auf eine Stufe gestellt.
Auch hier hielt ich mich an die Regeln.
»He!« zischte ich ihn an. »Dreh dich um und…«
Der Killer versteifte. Für einen Moment nur, dann aber drückte er ab und feuerte in den Zuschauerraum hinein…
***
Melody Ingram hob die Schultern. Selbst bei dieser Beleuchtung war die Gänsehaut auf ihrem Gesicht zu sehen.
»Was haben Sie?« fragte Suko leise.
»Es ist… es ist wie damals, verstehen Sie? Auch jetzt habe ich die Angst.«
»Klar, aber wir sind gewarnt. Damals hat der Killer Sie überrascht.«
»Trotzdem. Ich halte ihn für stark. Wenn ich an den Grabstein denke, der sich aus der Erde gelöst hat, kann man sich erst recht vorstellen, welche Kräfte er besitzt.«
»Das stimmt schon. Er hat den Vorteil, Schwarze Magie für sich arbeiten zu lassen.«
»Was ist Schwarze Magie?«
»Das kann ich Ihnen schlecht erklären, Melody. Es sind die geballten Kräfte des Bösen.«
Sie hob die Schultern. »Damit habe ich mich nie befaßt. Ich bin mehr in der Jugendkriminalität tätig.«
»Macht Ihnen der Job Spaß?«
Sie hob die Schultern. »Man wird irgendwann abgestumpft. Vor allen Dingen dann, wenn die Erfolge ausbleiben oder man meint, einen Erfolg gehabt zu haben, dann jedoch enttäuscht wird.«
»Das kann ich verstehen.«
Als John Sinclair das Kino verlassen hatte, war der Inspektor noch wachsamer geworden. Auch er konnte sich vorstellen, daß der Killer schon lauerte.
Der Grabstein war im weiteren Verlauf der schlimmen Handlung nicht wieder erschienen. Es war beim ersten makabren Gruß geblieben. Suko ging davon aus, daß es nicht der letzte gewesen war.
Melody setzte sich anders hin. »Hier schläft einem das Hinterteil ein«, beschwerte sie sich. »Meine Güte, sind die Sitze unbequem. So etwas hasse ich.«
»Patterson will ja renovieren.«
»Das hätte er schon längst tun können.« Sie schaute an der Rückwand mit verdrehten Augen hoch. »Was er jetzt
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