0591 - Engel der Geister
Tod. Nur wollte mir nicht einfallen, was ich dort alles erlebt hatte. Ich dachte intensiv darüber nach. Es tauchten auch ein paar schattenhafte Bilder auf, bis zu dem Zeitpunkt, wo ich das flimmernde Kreuz über meinem Körper liegend erlebt hatte. Von diesem Zeitpunkt an war alles anders geworden. Das Fremde hatte mich verlassen. Mein Kreuz war einfach zu stark gewesen. Wie konnte es jedoch stark sein, wenn ich es überhaupt nicht bei mir trug, denn Franklin hatte es mir abgenommen?
Allmählich gelangte ich zu der Überzeugung, dass ich von einer fremden Macht manipuliert worden war. Irgend jemand trieb ein geheimnisvolles Spiel mit mir, wobei es mir nicht gelang, dies zu durchschauen. Alles blieb diffus und im dunkeln.
Das war nicht gut.
Ich holte tief Luft. Es war eine reine, klare Luft, mit der ich die Lungen füllte. Auch nicht so warm, sie schien aus zahlreichen Filtern und Düsen zu stammen.
Welch eine Welt war dies? Die normale oder eine fremde Dimension? Selbst diese Begriffe kamen mir wieder in den Sinn. Ich merkte allmählich, dass ich wieder der Alte wurde.
Nur die Rüstung störte mich. Ich ging wie ein Storch im Salat, denn ich wollte wissen, wohin dieser von mächtigen Säulen gesäumte Gang führte. Er musste ein Ziel haben, konnte nicht in der Unendlichkeit enden, denn er war durch natürliche Materialien begrenzt.
Nicht nur die normale Rüstung störte mich, den Helm empfand ich als ein wirkliches Hindernis. Ihn wollte ich erst einmal loswerden. Das Schwert lehnte ich gegen eine Säule, hob beide Arme mühselig an und hörte das Knirschen der Scharniere in Ellbogenhöhe, als ich die Arme anwinkelte.
Ich trug noch immer die Handschuhe mit dem eisernen Gelenkschutz. Die Hände presste ich von zwei Seiten gegen den Helm und drehte ihn langsam herum. Es war kein Taucherhelm, er bewegte sich kaum. Ich ertastete dann zwei Sperren, die ich mühsam auslösen konnte. Danach war es ein Kinderspiel, mich von dem Kopfschmuck zu befreien.
Wütend schleuderte ich ihn weg und lauschte dem Echo nach, das scheppernd durch den Gang hallte, als der Helm vor mir herrollte.
Das war geschafft!
Ich freute mich darüber, meinen Hals abtasten zu können, suchte dort nach wunden Stellen, die ich zum Glück nicht fand. Der Helm hatte mir die Haut nicht aufgescheuert.
In der nächsten Zeit beschäftigte ich mich damit, meine Rüstung loszuwerden. Es war nicht einfach, ich suchte die Klammern und Scharniere, zwang mich mehrmals zur Ruhe und konnte schließlich aufatmen, als ich auch den stählernen Beinschutz abzog.
Erst jetzt fühlte ich mich wieder wie ein Mensch! Manchmal freut man sich eben auch über die kleinen Dinge im Leben, die oft wichtiger sind als alles andere.
Ich warf dem Schwert noch einen Blick zu. Es lehnte an der Säule, und ich dachte daran, dass ich eigentlich unbewaffnet war. Mein Dolch fehlte ebenso wie die Beretta, vom Kreuz gar nicht zu reden.
So blieb mir das Schwert als einzige Waffe, von meinen Fäusten einmal abgesehen. Das Gehen fiel mir plötzlich leicht. Da war ein wunderbares Gefühl in mir, als könnte ich fliegen.
Säulen, Bögen, die hohe Decke, das geheimnisvolle Licht – in welch einer Welt befand ich mich?
Viele Schatten lagen stumpf zwischen den Säulen. Sie erreichten das Licht nicht. In der Dunkelheit konnten sich Feinde verbergen, auf mich lauem und angreifen. Ich war vorsichtig, brauchte es aber nicht zu sein, denn die Gewalt schien hier nicht zu existieren.
Ich hörte ein Geräusch. Vor mir, möglicherweise ziemlich weit entfernt, klang es auf. Ein seltsamer Laut, kein Schreien, wohl so ähnlich. Ich blieb stehen und konzentrierte mich auf die mir entgegenwehenden Laute.
Da wusste ich Bescheid! Es war ein Weinen, das Weinen einer Frau, das mich in dieser Einsamkeit erreichte.
Wer konnte das sein? Noch sah ich die Person nicht. Sie musste sich innerhalb der Schatten zwischen den Säulen befinden.
Ich behielt mein Gehtempo bei und wollte nichts überstürzen.
Nur keinen Fehler machen, das war wichtig.
Zu beiden Seiten rahmten mich die hohen Säulen ein. Das Weinen aber klang von der rechten her.
Ich bewegte mich schneller, mein Blick konzentrierte sich auf die rechte Seite, wo sich eine Gestalt abzeichnete. Die Frau oder das Mädchen saß auf einer Mauer, die in Kniehöhe zwei Säulen miteinander verband. Sie hatte eine Sitzposition eingenommen, die erahnen ließ, dass sie trauerte.
Ich hatte mich nicht bemüht, leise zu gehen. Sie musste mich gehört haben,
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