0597 - Leichen-Ladies
sie stehengeblieben. Jane erinnerte sich daran, daß es ähnliche Konstruktionen auch noch in London gab. Sie waren zumeist die Eingänge zu irgendwelchen Kohlenkellern. Die Holztür selbst hätte sie allein nur durch einen Zufall entdecken können, denn sie lag noch versteckt zwischen den Büschen.
»Da soll ich hinein?«
Rebecca nickte. »Ja, es ist der ideale Eingang, mein Täubchen. Einfach sicher.«
»Und wen finden wir dort unten?«
Fast knurrend atmete die Frau aus. »Das ist doch klar, unseren einzigen Mann.«
»Ach ja. Weshalb hast du ihn denn im Keller oder tief unter der Erde verstecken müssen?«
»Das ist doch klar, meine Liebe. Weil unser männlicher Gast eben etwas Besonderes ist. Ich wundere mich darüber, daß du so etwas nicht begreifen kannst.«
»Nun ja, ich bin das nicht gewohnt.«
Die Holztür besaß einen Griff, der dem von einem Garagentor ähnelte.
Rebecca bückte sich und gab dabei ein Ächzen ab, daß einem angst und bange werden konnte. Sie drehte den Griff herum, zog daran, und das Holztor gab dabei ein fast widerliches Knarren von sich, aber es schwang langsam hoch.
»So«, flüsterte Rebecca, »so hast du schon einen Eindruck von den Dingen bekommen.«
Jane mußte sich bücken, um in das dunkle Loch schauen zu können. Sie hatte mit einer Treppe gerechnet, die in die Tiefe führte. So etwas Ähnliches war auch vorhanden, nur existierten keine normalen Stufen, sondern Trittstellen, die in den harten Lehmboden hineingeschlagen worden waren. Dabei sehr breit angelegt, damit jeder den Weg bequem gehen konnte, wobei er weiter unten den Kopf einziehen mußte.
»Nun, was sagst du?«
Jane hob die Schultern. »Gibt es hier kein Licht?«
Rebecca winkte ab. »Nein, hier nicht. Das Licht wirst du gleich woanders sehen können.«
»Was erwartet mich?«
»Er – unser Will.«
Die Detektivin enthielt sich einer Antwort. Es gab gewisse Dinge, die ließ man besser auf sich zukommen. »Geh du vor«, sagte sie.
»Gern.« Rebecca krümmte ihren Rücken und verschwand wie ein Gespenst in der Finsternis.
Jane Collins zögerte noch. Ihr war schon mulmig zumute, das gab sie ehrlich zu. Das Blut hämmerte hinter den Schläfen.
Sehr vorsichtig folgte sie Rebecca und fühlte nach der kleinen Silberkugel-Astra, die in der Tasche steckte.
Sie war heilfroh, die Tasche mitgenommen zu haben.
Vor einer zweiten Tür trafen sie wieder zusammen. Nebenan stand ein kleiner Tisch. Kerzen lagen bereit, auch Zündhölzer. »Du nimmst dir eine, Jane, ich die andere. In diesem Haus, wo immer es auch sei, wirst du keine Elektrizität finden. Wir sind vergessen worden, aber wir sind nicht traurig darüber.«
»Das sieht jeder anders.«
Rebecca kicherte, bevor sie ein Zündholz anriß und einen Docht entflammte. Bisher hatte Jane nur den Staub gerochen, der sich hier unten ausgebreitet hatte. Jetzt konnte sie mehr sehen und sah die zahlreichen Spinnweben, die an der Tür klebten.
Rebecca öffnete. Mit zwei Kerzen bewaffnet betraten die beiden Frauen einen engen, düsteren tunnelähnlichen Gang, in dem es erbärmlich stank. Es war nicht nur der Geruch von Fäulnis, der sie anwiderte, ein anderer hatte sich ebenfalls dazwischengeschoben.
Es roch nach Blut…
Nach altem Blut, das eingetrocknet war und wie klebrige Fäden innerhalb der düsteren Mauer hing, wobei es einen Großteil des Sauerstoffs verdrängt hatte.
Das gefiel Jane überhaupt nicht. Sie hatte das Gefühl, einem unterirdischen Friedhof entgegenzugehen.
Im Schein der Kerze sah das Gesicht ihrer Begleiterin noch schlimmer aus. Da wirkte es wie eine düstere Landschaft, in der sich Schatten und hellere Flecken miteinander abwechselten oder zu einem zuckenden Muster zusammenflossen.
»Wie lange müssen wir noch laufen?«
Rebecca winkte ab. »Keine Sorge, wir sind gleich da. Dann kannst du ihn sehen.«
»Ihr liebt euren Will – oder?«
»Und wie!«
Rebecca ging schneller, als wäre sie von einer inneren Unruhe getrieben. Jane hörte ihr Keuchen, die fast wütend klingenden Knurrlaute dazwischen, und sie mußte die Flamme mit der gekrümmten Handfläche abschirmen, sonst hätte sie der Luftzug ausgeblasen.
Wieder stoppte sie vor einer Tür. Rebecca drehte sich zu Jane um.
»Wir befinden uns jetzt ungefähr in Kellerhöhe«, erklärte sie. »Wenn ich diese Tür öffne, dann ist der Weg zu ihm frei. Dann gelangen wir wieder in das Gebäude.«
»Dann mach es!«
Rebecca kicherte noch einmal. »Du wirst dich wundem, meine Liebe. Ja, du wirst
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