06 - Der Schattenkrieg
stehenden Fernschreiber verbunden war.
Der Techniker legte den ursprünglichen Ausdruck auf den Vorlagenhalter seiner Maschine und begann zu tippen.
Die Nachricht, im NSA-Hauptquartier in Ford Meade, Maryland, bereits mit Hilfe der MasterKassette 342 verschlüsselt, war noch einmal mit dem gegenwärtigen Hochsicherheitsschlüssel STRIPE des Außenministeriums für die Satellitenübertragung codiert worden, doch selbst wenn jemand über den Schlüssel für STRIPE verfügte, bekam er wegen der übergelagerten Kassettenverschlüsselung nur etwas wie DEERAMO WERAC KEWJRT und so weiter heraus. Jeder Buchstabe ging in das Abspielgerät, das ihn als Ziffer von 1 (A) bis 26 (Z) behandelte und dann die Zahl auf der Kassette addierte. Wenn zum Beispiel 1 (A) im Originaltext mit 1 (A) auf der Kassette korrespondierte, wurden 1 und 1 addiert, was im Klartext 2 ergab. Die Vertauschungen auf dem Band waren völlig wahllos und von einem Computer nach der Vorlage atmosphärischer Störungen erzeugt worden. Ein ganz und gar unknackbares System, denn der pure Zufall läßt sich nicht voraussagen. Solange niemand an die Bänder herankam, war der Code nicht zu knacken. Die Nachricht bestand aus siebzehntausend Zeichen, also rund zweitausendfünfhundert Wörtern. Der Techniker hackte sie herunter, so schnell er konnte.
»Alles klar?« fragte er den Attache am anderen Gerät. »Ja«, kam die Antwort. Der Techniker warf das Telex, das er gerade abgeschrieben hatte, in den Reißwolf. Dann nahm er die Kassette aus dem Abspielgerät, löschte sie mit einem Magneten und warf sie dann in den Sack für zum Verbrennen bestimmtes Geheimmaterial. Inzwischen hatte Chuck Bernardi, der Attache, den Text überflogen und schaute auf.
»Ich wollte, meine Sekretärin könnte so schnell tippen, Charlie. Sie haben sich nur zweimal verschrieben.« Bernardi gab dem Mann fünf Franken. »Gehen Sie einen trinken.«
»Danke, Mr. Bernardi.« Chuck Bernardi war ein hoher FBI-Agent und ehemaliger Infanterieoffizier, der für das Direktorat »Organisiertes Verbrechen« des FBI arbeitete und sich auf das Aufspüren von Mafia-Geld spezialisiert hatte. Durch seinen Beruf halb Polizist, halb Diplomat hatte er engen Kontakt zur Schweizer Polizei, die er für sehr tüchtig hielt.
In seinem Zimmer knipste Bernardi die Leselampe an und nahm sich eine Zigarre. Noch ehe er sie einmal abgeklopft hatte, lehnte er sich zurück und starrte an die Decke.
»Verdammt!« Er griff nach dem Hörer und rief den höchsten Polizisten an, den er kannte. »Bernardi. Könnte ich bitte Dr. Lang sprechen? Vielen Dank… Hallo Karl, hier Chuck. Ich muß Sie sprechen, und zwar sofort, wenn’s geht… es ist ziemlich wichtig, Karl… In Ihrem Büro wäre es mir lieber… Nein, nicht am Telefon… Gut, vielen Dank. Glauben Sie mir, die Sache ist es wert. Ich bin in fünfzehn Minuten drüben.«
Er legte auf, ging an den Kopierer, lichtete das Dokument ab und bestätigte das mit seiner Unterschrift. Vorm Gehen legte er das Original in seinen Panzerschrank und steckte die Kopie in die Tasche. Karl wird wegen des verpaßten Abendessens sauer sein, dachte er, aber es kam nicht jeden Tag vor, daß jemand die Schweizer Volkswirtschaft um zweihundert Millionen Dollar bereicherte. Die Regierung würde die Konten sperren, was bedeutete, daß die sechs betroffenen Banken die Zinsen und vielleicht sogar auch das Kapital behalten konnten, denn wenn sich die Identität des rechtmäßigen Konteninhabers nicht feststellen ließ, waren die Schweizer »gezwungen«, das Geld, das am Ende an den Kanton fiel, zu behalten.
Innerhalb einer Stunde waren sechs Botschaften verständigt worden, und als es in Amerika hell wurde, statteten FBI-Agenten auch den Vorstandsetagen einiger amerikanischer Großbanken einen Besuch ab und ließen eine Reihe von Konten sperren. Alles ging ganz unauffällig vonstatten. Niemand brauchte Bescheid zu wissen, und die Wichtigkeit völliger Geheimhaltung wurde den überaus entgegenkommenden Bankdirektoren von hohen Regierungsbeamten eingeschärft. In fast allen Fällen erfuhr das FBI, daß sich auf den Konten nicht viel bewegte; höchstens zwei oder drei Transaktionen im Monat, aber dann natürlich große. Einzahlungen und Gutschriften wurden noch entgegengenommen, um die Einleger nicht zu warnen. Ein belgischer Regierungsbeamter schlug vor, Überweisungen von überwachten Konten auf andere zuzulassen selbstverständlich nur innerhalb eines Landes, um zu verhindern, daß die Einleger Lunte
Weitere Kostenlose Bücher