060 - Der Henker von London
Schminktöpfe.“
„Warum läßt du dich dann nicht scheiden, Pete? Hundertmal hast du mir schon gesagt, daß es anders werden wird. Aber es hat sich nichts geändert. Seit zwei Jahren nicht, Pete, und es wird sich nichts ändern.“
Die Züge des Reporters verhärteten sich.
„Doch“, sagte er langsam. „Sehr bald wird sich etwas ändern. Aber ich brauche ihr Geld, das Haus, die Wertpapiere. Wir beide haben doch nichts, Stella.“
Stella legte den Kopf an seine Brust. Eine heiße Träne fiel auf seinen Handrücken. Stumm starrte er sie an, dann strich er ihr zärtlich durch das weiche Haar.
„Ich werde Klara umbringen“, flüsterte er. „Für dich und mich werde ich es tun, Stella. Aber erst muß dieser verdammte Henker mit seiner schwarzen Liste aus dem Weg.“
Es fiel ihm schwer, Stella jetzt, in diesem Augenblick zu verlassen. Aber es ging nicht anders. Er küßte sie, nickte ihr zu und verließ mit weitausholenden Schritten die Wohnung.
Sein Wagen stand ein paar Häuser weiter. Wegen Klara. Zwar glaubte er nicht, daß sie etwas ahnte, aber Klara war von jeher in vielen Dingen mißtrauisch, und es wäre ihr durchaus zuzutrauen, daß sie ihm einen privaten Schnüffler hinterherschickte.
Er verließ das Haus durch den Hintereingang, sah sich kurz um, als er auf die kleine Seitenstraße trat, und begann dann zu laufen. Noch eine Querstraße, eine Biegung, dann hatte er seinen grauen Ford erreicht.
Minuten später jagte er mit heulenden Reifen in Richtung Hackney, wo Donald Reiter heute nacht sein Leben ausgehaucht hatte.
Die Abendzeitungen waren voll von dem Mord. Überall in der Stadt erschienen Extrablätter, das Grauen begann umzugehen, schlich sich in düstere Straßen, schwarze Seelen und in die schlechten Gewissen. Die Unterwelt zitterte, daß man es fast unter den Füßen zu spüren glaubte, wenn man durch Soho ging.
Eine Verhaftungswelle rollte an, wie es sie noch nie zuvor in England gegeben hatte. Da gestand ein Vater, vor sieben Jahren sein Kind in der Badewanne ertränkt zu haben; eine Frau hatte ihrer Mutter vor dreizehn Jahren eine vergiftete Pilzsuppe gekocht, um die alte, geizige Dame loszuwerden. Ein uralter Mann in einem Altersheim gestand, während ihm anzusehen war, daß die Angst in seinem dürren Nacken hockte, im ersten Weltkrieg seinen Kameraden ermordet zu haben.
Das waren die Laienmörder. Die größere Angst herrschte aber unter den professionellen Mördern, Gangstern und Killern. Die Beamten kamen mit dem Aufzeichnen von Geständnissen kaum noch nach. Die Sitzbänke auf den Polizeirevieren waren überfüllt von Erben, die etwas zum Tode ihres Gönners beigetragen hatten. Vor Angst schlotternde Menschen gingen auf den Korridoren auf und ab, warteten darauf, endlich an der Reihe zu sein, um verhaftet zu werden.
Ben Wolters, der Herausgeber der Evening Post rieb sich die Hände, als Ascorda sein Büro betrat.
„Na?“ fragte er mit sonnigem Lächeln. „Wie sieht es aus, draußen in der Welt?“
„Furchtbar“, antwortete Pete Ascorda und sank auf den Besucherstuhl, der vor dem protzigen Schreibtisch stand. „Die Gangster drehen durch, die Stadt steht Kopf. Das Monstrum mordet weiter. Was sollen wir da schreiben, Chef? Spekulationen über den Henker von
London? Berichte über die Angst von wimmernden Killern, die jetzt aus allen Löchern gekrochen kommen? Oder sollen wir über die Unfähigkeit der Polizei schimpfen? Nicht mal das können wir, denn diese verdammte Bestie treibt ja einen Killer nach dem anderen in die Untersuchungszellen. Fast fürchte ich, daß die Leute von Scotland Yard in ihren Nachforschungen kürzer treten werden, damit die Stadt mal sauber wird.“
„Zum Teufel mit Ihnen, Ascorda! Wir müssen irgendwie mithalten. Und wenn wir täglich drei Extrablätter ’rausbringen und Ihnen beim Schreiben die Finger abfallen. Vernunft hin, Vernunft her. Die anderen Verlage heizen ja auch den Leuten ein.“ Ben Wolters ließ seine Faust auf den Stapel von Extrablättern herabsausen, der auf seinem Tisch lag. „Da! Sehen Sie sich das an. Das sind Schlagzeilen!
Alles Panikmache, aber es bringt Geld. Hier: Das gläserne Monstrum geht weiter um! oder Wer ist der blutige Henker? Henker des Grauens schlug zum dritten Mal zu! Ascorda, ich sage Ihnen, wir müssen mithalten!“
„Wir halten doch mit. Wir haben auch Extrablätter gedruckt.“
„Bah! Reine Information, schön sachlich, damit die Leute auch ja keine Angst bekommen. Aber sie sollen sich um unsere
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