0603 - Die Pestklaue von Wien
Ich stellte auch Suko vor und erklärte, daß wir aus London kamen.
Isabel runzelte die glatte Stirn, als hätte der Name der Stadt so etwas wie Erinnerungen in ihr ausgelöst. »London«, murmelte sie.
»Kann es sein, daß Sie meinetwegen gekommen sind?«
»Das ist richtig.«
Jetzt trank sie. Zu einem Drittel leerte sie das Glas. Wir bestellten Wasser mit Zitrone.
»Es geht um die Hand – oder?«
»Genau.«
Sie drückte die Zigarette aus und lehnte sich etwas zurück. Dabei umschlang sie ihre Knie mit beiden Händen.
»Sagen Sie nur, daß Sie gekommen sind, um die Hand zu stoppen.«
»So ähnlich, Madame.«
Sie lachte etwas unecht, griff zum Glas und trank es zur Hälfte leer. Diesmal war es Wodka gewesen. Ich fürchtete mich ein wenig davor, daß sie die Kontrolle verlieren könnte, schließlich wollten wir noch mit ihr reden.
»Ich frage mich wirklich, wie Sie das anstellen wollen. Sie haben die Hand nicht gesehen. Die ist so groß wie Sie und bestimmt dreimal so stark. Nein, Gentlemen, dagegen kommen Sie nicht an. Die wird sie zermalmen.«
»Können Sie sich vorstellen, Madame, daß es noch andere Methoden gibt, als nur die reine Kraft?«
»Wie meinen Sie das denn?«
»Ganz einfach. Die Hand ist nicht normal. So etwas dürfte es eigentlich nicht geben.«
»Stimmt.«
»Sie ist also ein magisches oder metaphysisches Phänomen«, sagte Suko zu ihr.
»Wenn Sie das so sehen.«
»Wir haben Sie gesehen, wir waren in den Katakomben. Sie befand sich unter der Decke.«
»Da sah ich sie zuerst.«
»Und später?«
»War sie groß«, flüsterte Isabel. »Da stand sie vor der Balkontür und jagte mir den Schrecken ein.«
»Erzählen Sie.«
Isabel überlegte. Sie schaute uns mit einem nicht mehr allzu klaren Blick an. Am liebsten hätte ich ihr die Drinks weggenommen, das wiederum konnte ich nicht, denn sie war erwachsen. »Nun ja«, begann sie. »Ich weiß nicht, ob ich es…«
»Bitte.«
Sie hob die Schultern. »Ist ja auch egal. Also, ich heiße Isabel de Dijon und bin mit der Truppe nach Wien gekommen, um auf dem Stephansplatz die neue Wintermode vorzustellen…«
Dann redete sie. Je länger sie sprach, um so stärker drang ihr Temperament durch. Sie nahm die Hände zu Hilfe, unterstrich Worte und Gesten mit Handbewegungen, nickte ab und zu, trank zwischendurch und berichtete auch von den Anrufen.
»Der letzte erreichte mich vor ungefähr einer halben Stunde, bevor ich hier in die Bar ging.«
»Sie haben die Stimme nicht erkannt?« fragte Suko.
»Nein.«
»Auch kein Gefühl, wer mit Ihnen gesprochen haben könnte?«
»Leider nicht. Überhaupt nicht. Ich habe gegrübelt, ich überlegte hin und her, wer der Anrufer sein könnte, aber ich bin zu keiner Lösung gekommen. Tut mir leid.«
»Es war ein Feind von Ihnen!« stellte ich fest.
»Das kann man wohl sagen.«
»Haben Sie sich Feinde gemacht?«
Sie umfaßte das leere Champagnerglas am Stiel und drehte es in der Hand. »Sagen wir so. Wer hat keine Feinde im Leben? Gerade Menschen, die etwas erreicht oder einen gewissen Bekanntheitsgrad haben, besitzen Feinde. Sie sind Polizisten. Ihnen müßte das doch auch so gehen. Oder irre ich mich?«
»Nein, Sie irren sich nicht, Isabel. Wobei wir die Ehre haben, von Feinden umringt zu sein.«
»Aber darunter befinden sich keine Riesenhände aus Stein.«
»Das nehmen wir an. Dennoch muß es eine Verbindung zwischen Ihnen und dieser Hand geben, die auf einem so unwahrscheinlichen Weg ihre Größe verändern kann. Haben Sie sich nicht selbst gefragt, weshalb gerade Sie von dieser Hand verfolgt werden?«
»Ja – schon, aber ich weiß die Lösung nicht. Das ist es ja. Ich komme damit nicht zurecht.«
»Sie hatten also früher niemals etwas mit steinernen Händen zu tun?«
»Niemals!«
Suko hatte eine Idee. »Wie war es mit Ihrer Familie? Wo stammt sie her? Kann in dieser Herkunft möglicherweise ein Grund liegen?«
Isabel strich durch ihr Haar. Mir fiel auf, daß sie sehr lange Finger besaß. Die Nägel waren blaß lackiert. »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich verstehe auch nicht, daß meine Kollegin Romina von der Klaue getötet wurde. Das will mir nicht in den Kopf. Wenn die Hand es doch auf mich abgesehen hat, weshalb tötete sie dann Rornina?«
»Möglicherweise wollte sie nicht, daß Sie der Freundin etwas über die Hand erzählen«, meinte Suko.
Isabel bekam große Augen. »Dann wäre jeder in Gefahr, mit dem ich über das Phänomen rede.«
»Möglich.«
»Das glaube ich Ihnen nicht,
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