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061 - Der Fuerst der Finsternis

061 - Der Fuerst der Finsternis

Titel: 061 - Der Fuerst der Finsternis
Autoren: Brian Ball
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Szene, und Jerry stand da wie angewurzelt. Das Blut schien ihm in den Adern zu gefrieren. Seine Knie schlotterten, seine Hände zitterten so sehr, daß der Lichtstrahl der Taschenlampe zuckend tanzte. Vor ihm lag das Ende des geräumigen Tunnels, diesmal ein von einem unterirdischen Fluß ausgewaschener Schacht, und am Ende dieses Tunnels war eine kleine Eichentür mit massiven Eisenbeschlägen. Und vor dieser Tür lagen alle jene, die im Laufe der Zeit im Drudenloch verschwunden waren.
    Jerry schrie noch einmal auf vor Entsetzen, als seine zitternde Hand den Lichtkegel auf die grausigen Details lenkte. Grün war das Gesicht des Leutnants, an seinem blonden Haar immer noch erkennbar, in seiner verfaulten Uniform und den plumpen Stiefeln, aus denen die Knochen heraussahen. Jerry versuchte, sich zu bewegen, aber seine Beine versagten ihm den Dienst. Er schloß die Augen, aber das Bild stand mit grauenhafter Deutlichkeit vor seinem inneren Auge. Er sah die beiden Pfadfinder, von denen der eine ein Klappmesser in der verwesten Hand hielt. Und die anderen? Wer waren sie? Jerry merkte, daß er vorwärts ging statt zurück. Halt! Rief er sich selbst zu, aber dennoch ging er weiter.
    Seine Augen waren weit aufgerissen. Und noch ein grausiges Bild grub sich tief in sein Gedächtnis ein. Er sah eine Gestalt in so altmodischen Kleidern, daß er ihre Jahreszahl nicht bestimmen hätte können. Ein Cutaway, ein Zylinder, alles mit Schimmel überzogen. Ein Jahrhundert? Mehr? Das Gesicht war noch zum Teil erkennbar. Es mußte einst ein ältlicher, zart gebauter Mann gewesen sein.
    Jerry sah auf der Eichentür tiefe Furchen und Kratzer. Die Pfadfinder! Die Klinge des Klappmessers, das der eine der beiden Pfadfinder in der Hand hatte, war gebrochen. Was lag wohl hinter der Tür?
    Er schauderte und ließ den Lichtkegel seiner Taschenlampe über das Holz der Eichentür wandern. Sein Puls raste. Die Furchen in dem eisenharten Holz waren zweifellos die Spuren von Zähnen. Diese armen, verlorenen Kreaturen hatten versucht, sich ihren Weg in die Freiheit durchzubeißen.
    „Nein!“ schrie Jerry. „Nein! Hinaus, raus hier!“
    Er drehte sich um, stolperte und fiel hin, wobei die Taschenlampe seinen Händen entglitt. Lähmendes Entsetzen überkam ihn. Die Lampe war ein Stück von ihm weggerollt. Er kroch auf allen vieren auf sie zu. Irgend etwas war ihm im Weg und verfing sich an seiner rechten Hand. Er versuchte, das Ding wegzuschleudern, fühlte glitschiges, nasses Leder, und verhedderte sich hoffnungslos in etwas, das sich wie Riemen oder Schnüre anfühlte. Er konnte nicht sehen, was es war, weil ihn der Lichtkegel der Taschenlampe, der ihm direkt in die Augen fiel, blendete, und weil er nur einen Gedanken hatte: Hinaus! Hinaus! Das Ding blieb an ihm hängen, als er endlich die Taschenlampe zu fassen bekam. Jerry rannte, so schnell er mit seinem schmerzenden Knöchel konnte, und zog das Ding hinter sich her.
    Er rannte um die Biegung, den Tunnel entlang, getrieben und gehetzt von dem Grauen hinter ihm. Er keuchte, als er noch einmal hinfiel, aber diesmal über den Schutthaufen. Erst als er im Keller angelangt war, merkte er, daß das Licht abgedreht worden war.
    „Nein!“ schrie er fassungslos. „Mr. Raybould! Licht!“
    Er kroch die Treppe hinauf, immer noch die nassen Lederriemen hinter sich herschleifend, ohne ihrer gewahr zu werden.
    „Laßt mich hinaus!“ rief er verzweifelt, den Tränen nahe. Die schwere Taschenlampe entfiel seinen kraftlosen Händen. Sie zerbrach auf dem Steinboden, die Lichtquelle war erloschen.
    Jerry rüttelte an der schweren Kellertür. Seine. Fingernägel brachen.
    „Macht auf!“ schluchzte er.
     

     

„Die Tür war die ganze Zeit über offen!“ Mrs. Raybould schüttelte den Kopf. „Sehen Sie sich mal Ihre Hände an! Und Ihre Kleider!“
    „Beruhigen Sie sich erst mal“, meinte Bill. „Er macht aus allem ein Drama“, wandte er sich an die Rayboulds. „Genauso benahm er sich, als ich ihn im Schnee auflas.“ Seine Sympathie für Jerry schien erloschen zu sein. „Studenten!“
    „Armer Jerry!“ riefen die Mädchen und kamen herbei. Ihre netten Gesichter glühten vor Mitgefühl.
    „Die Tür!“ ächzte Jerry. „Bill, die Tür!“
    „Sie war nicht abgeschlossen“, rief Raybould. „Sie glauben doch nicht im Ernst, daß wir Sie im Keller einschließen wollten.“
    „Das Licht! Sie haben es abgedreht!“
    „Nein!“ schrie Raybould zurück. „Wir haben im ganzen Haus kein Licht mehr!
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