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0623 - Ein Tropfen Ewigkeit

0623 - Ein Tropfen Ewigkeit

Titel: 0623 - Ein Tropfen Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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der Kessel vorkam.
    Konnte sie ihn als einen Jungbrunnen bezeichnen?
    Jedenfalls so ähnlich. Vielleicht war dieser Zauberkessel der Traum aller Menschen, eine ewige Jugend zu erlangen, nicht mehr zu altern und das Leben endlos zu genießen.
    Sehr genau schaute sie in den Nebel und hatte dabei den Eindruck, als wäre er mit dem in ihrer Welt nicht zu vergleichen. Sie hatte ihn zwar als Blinde nie gesehen, jedoch oft genug beschrieben bekommen. Dieser hier mußte einfach anders ein, weil er nicht nur aus wallenden Wolken bestand, sondern aus hellgrauen, schattenhaften Figuren, die manchmal menschliche Umrisse besaßen.
    Waren es die Geister?
    Dyfur wollte sein Vorhaben zu Ende bringen. Seine mächtige Hand hatte sich Melu genähert. Sie war halb geöffnet und bildete um sie einen vorn offenen Fluchtweg.
    Als halbe Faust war sie präsent. Würde sich die Faust schließen, dann mußte Melu mit ihrem Leben abbrechen.
    Sie wunderte sich darüber, daß sie so ruhig blieb und es sogar schaffte, den Kopf zu sehen.
    Aus ihrer schrägen Lage blickte sie hoch in das Gesicht des Riesen, wo die Augen ebenso übergroß geworden waren wie das offenstehende Maul.
    Zum erstenmal sah sie auch eine Zunge, deren Anfang zwischen den beiden Kieferreihen hin- und herschlug.
    Die dabei entstehenden klatschenden und schmatzenden Geräusche zeugten von der perversen Vorfreude, die der Riese empfand.
    »Verschlingen werde ich dich, ja, verschlingen…«
    »Nein, das wirst du nicht…«
    Selbst Dyfur erschrak, Melusine de Lacre natürlich nicht minder, denn mit diesem Eingreifen und dieser Stimme hatte keiner von ihnen gerechnet. Sie war aus dem Nebel des Zauberkessels gedrungen, und Melusine de Lacre glaubte, ihren Ohren nicht trauen zu können, denn die Stimmen kannten sie.
    Nicht eine Person hatte gesprochen, es waren zwei gewesen.
    Ihre verstorbenen Eltern!
    ***
    Es geschah zunächst nichts. Melusine de Lacre blieb unbeweglich stehen, und selbst Dyfur zeigte keine Reaktion, denn damit hatte er nicht gerechnet.
    Beide starrten gegen den Nebel des unter ihnen liegenden Zauberkessels, aus dem die Stimme geklungen war.
    Dort wallten die Wolken, da zeigten sich Gestalten, aber es war doch zu erkennen, daß sich zwei geisterhafte Umrisse besonders hervorhoben. Sie lösten sich von den übrigen, grauen Wolken, obwohl sie noch zu ihnen gehörten.
    Nicht nur die grauen Umrisse zeigten sich. In sie hinein waren andere Konturen geboren worden.
    Geister…
    Melu war sprachlos. Ob die bleichen Geistgestalten ihre Eltern waren, wußte sie nicht zu sagen. Sie hatte sie nie sehen können und sich stets nach den Stimmen gerichtet.
    Diese hier hatten sie nicht getrogen. Sie war tatsächlich von ihren Eltern angesprochen worden, die der Tochter etwas sagen und sie vermutlich retten wollten.
    »Was werde ich nicht?« fragte Dyfur.
    »Sie töten…«
    Wieder drang aus seinem Maul ein gellendes Lachen. »Wer erlaubt sich, mir Vorschriften zu machen?«
    »Melusines Eltern.«
    »Was? Ihr seid…« Der Riese sprach nicht weiter, er war zu überrascht.
    »Ja, wir sind es.«
    »Wieso? Wie ist es möglich, daß ihr nach Avalon gelangt? Ihr gehört nicht auf diese Insel.«
    »Jeder, der von Avalon stammt, gehört wieder auf die Insel. Wir sind von ihr gekommen und hinausgetreten in die sichtbare Welt. Nach unserem Tod verließen die Geister die Körper, um sich hier wieder einzufinden, wo unser Platz ist.«
    Melusine hatte die große Gefahr vergessen, in der sie schwebte. Sie besaß nur Augen für die beiden nebulösen Gestalten, die sich als ihre Eltern identifiziert hatten. Geister, die in der Lage waren, zu sprechen. Das hätte sie nie für möglich gehalten, wenn die eigentlichen Körper verschwunden waren.
    »Ihr werdet mich retten, nicht wahr? Ihr seid erschienen, um mich zu retten.«
    »So ist es!« wisperte es Melu geheimnisvoll entgegen. »Dies ist kein Ort des Schreckens. Hier ist der Platz, um zu leben und nicht, um zu sterben.«
    Hoffnung durchströmte die junge Frau. Sie hatte ihre Eltern über alles geliebt und es nicht einmal über das Herz gebracht, sie in die kalte Erde zu versenken. So waren sie im Keller des Hauses aufgebahrt geblieben, auch wenn die Leiber allmählich verwesten.
    Der Dunst über dem Kessel hatte sich nicht mehr verdichtet. Auch andere Gestalten zeigten sich nicht, nur die beiden de Lacres machten die große Ausnahme. »Es ist unser Platz«, erklärten sie noch einmal, »denn unser Ahnherr Julien de Lacre hat den Weg nach Avalon

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