064 - Das Steckenpferd des alten Derrick
Hotel. Die junge Dame habe ich zweimal gesehen.« »Regnet es in Margate?«
»Nein, das Wetter ist herrlich, und Miss D. spaziert draußen mit Lord Weald auf und ab. Es war leicht, sie zu beobachten, da die Nacht ziemlich dunkel ist. Lord Weald hält die Dame an der Hand - sie gehen wie Kinder mit schwingenden, ineinander verschlungenen Händen nebeneinander her.«
Dick hatte die Zähne zusammengebissen - dieser Teil des Berichts war nicht unbedingt das, was er hören wollte.
»Hoffentlich ist Ihnen von dem Anblick nicht schwindlig geworden«, bemerkte er sarkastisch. »Teilen Sie mir das Notwendige mit und lassen Sie alles Nebensächliche beiseite. Wie spät war es, als Sie die Herrschaften zum letztenmal sahen?«
»Vor zwei Minuten, Sir.«
Nachdenklich hängte Staines ein. Er machte sich zum Schlafengehen bereit, als ihn eine der drei vor seinem Bett angebrachten Alarmklingeln aufschreckte. Ohne einen Augenblick zu verlieren, ließ er sich mit Scotland Yard verbinden.
»Sämtliche verfügbaren Mannschaften nach dem Lowndes Square!« rief er in den Apparat. »Derricks Haus ist von allen Seiten zu umzingeln. Niemand darf das Gebäude verlassen!«
Er zog seinen Mantel an, nachdem er sich der Schußwaffe in seiner Tasche vergewissert hatte. Im Augenblick, als er das Zimmer verlassen wollte, kam Minns herein, um sich nach den weiteren Wünschen des Gastes zu erkundigen. Beim Anblick der schußbereiten Pistole wurde er bleich. »Sind Sie wieder da?« fragte er zitternd.
»Ja. Lassen Sie die Dienerschaft nichts merken, Minns! Sie bleiben hier. Sie brauchen keine Angst zu haben - fünfzig Polizisten werden in wenigen Minuten das Nachbarhaus umzingelt haben.«
Der Inspektor wollte eben Derricks Haustür aufschließen, als er hörte, daß von innen leise die Riegel vorgeschoben wurden. Er war um eine Sekunde zu spät gekommen. Ohne zu zögern stürmte er zurück, an dem verblüfften Minns vorbei die Treppe hinauf. Beide Häuser hatten ja dieselben Oberlichtschächte mit den gleichen Feuerleitern ...
Er zog die Leiter aus dem Schacht herunter. Minns, der ihm gefolgt war, sah es.
»Die Leiter führt aufs Dach, Sir«, erklärte er. »Wirklich?« fragte Staines spöttisch.
In zwei Sekunden war er oben und kletterte die wenigen Meter übers Dach zur Schachtluke des Nebenhauses. Eine Lampe brauchte er nicht, denn von unten aus dem Derrickschen Haus drang ein schwacher Lichtschein. Mit großer Vorsicht kletterte er den Schacht hinunter, bis er endlich auf dem Korridor landete. Lauschend schlich er dem Geländer entlang bis zur Biegung, wo die Treppenstufen begannen.
Ein Schauder lief ihm über den Rücken - die Tür des Zimmers, in dem Larkin geschlafen hatte, öffnete sich langsam ... Dann stand ein Mädchen auf der Schwelle, von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet, und streckte horchend den Kopf vor. Es war Mary Dane!
Er hatte sie zwar nie schwarz gekleidet gesehen, aber er hätte seinen Kopf darauf gewettet, daß sie es war. Er konnte beinah ihre Atemzüge hören, so nahe war er ihr. Behutsam zog sie die Tür des Zimmers, aus dem sie gekommen war, hinter sich zu und begann, sich langsam den Korridor entlangzuschleichen. Nun bewegte sich eine andere Tür. Der Rücken des Mädchens war Dick zugewandt. Er vermutete, daß nun auch der Bundesgenosse der nächtlichen Besucherin auftauchen würde. Endlich sah er ihn - das Gesicht war noch im Schatten, aber dann erkannte er, daß der Eindringling einen mit zwei Löchern für die Augen versehenen Strumpf über den Kopf gezogen hatte.
Warum hatte sich nicht auch das Mädchen maskiert? Plötzlich stockte Staines das Blut in den Adern - er sah, wie sich der Mann leise an die Wartende heranschlich und sie bei der Kehle packte. Er sah ihren erschreckten Blick, hörte ihren entsetzten Ausruf. Dann begann sie um ihr Leben zu kämpfen. »Endlich hab' ich dich!«
Zischend stieß der Mann die Worte aus. Der Widerstand des Mädchens ließ nach. Jetzt zerrte er das Opfer zu der Tür, aus der er eben gekommen war. In diesem Augenblick erscholl Dicks scharfer Befehl:
»Lassen Sie das Mädchen los - oder ich schieße!«
Der Inspektor sah zwei wütende Augen auf sich gerichtet - im nächsten Moment hatte der Maskierte sein Opfer losgelassen und raste die Treppen hinab. Dick wäre ihm gefolgt, aber das Mädchen, das er für Mary Däne hielt, war bewußtlos zusammengesunken. Er hob sie auf und trug sie ins Büro. Als er Licht machen wollte, stellte er fest, daß jemand sämtliche Birnen
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