064 - Das Steckenpferd des alten Derrick
ausgeschraubt hatte. Beim Schein seiner Taschenlampe betrachtete er das Gesicht der Ohnmächtigen.
»Mary!« flüsterte er zärtlich.
Sie öffnete die Augen und starrte ihn an. Dann griff sie tastend an ihre Kehle, die der Maskierte so brutal umklammert hatte. »Was wolltest du hier?« fragte Dick. »Bist du verletzt?« Sie schüttelte den Kopf, immer noch die Hand an der mißhandelten Kehle. Dann flüsterte sie:
»Gib mir einen Schluck Wasser!«
Er eilte ins Badezimmer, um ihren Wunsch zu erfüllen. Als er ins Bürozimmer zurückkehrte, war das Bett, das Larkin früher benutzt hatte, leer. Das Mädchen war verschwunden. Die Doppelgängerin - oder war es Mary selbst - war entflohen. Ein Klopfen an der Hautür rief Staines in die Wirklichkeit zurück. Er eilte hinunter, um zu öffnen. Die Straße war voll von uniformierten Polizisten der Überfallkommandos.
»Haben Sie jemand bemerkt?« fragte er einen Beamten.
»Nein, Sir, wir sind eben erst gekommen.«
Die Durchsuchung des Hauses verlief ergebnislos. Ein Taxichauffeur, der auf der anderen Straßenseite gewartet hatte, sagte aus, daß er auf der Straße einen Mann habe laufen sehen. Kurz danach seien die Polizisten erschienen. Während Staines sich mit dem Mann noch unterhielt, kam Minns.
»Sie werden von Margate verlangt, Sir!«
Es war Rees.
»Lord Weald ist eben ins Hotel zurückgekehrt, Sir«, berichtete er, »und die Junge Dame ist zu Hause. Soll ich noch hierbleiben?«
»Ja«, erwiderte Staines. »Behalten Sie das Haus die ganze Nacht unter Beobachtung - melden Sie mir morgen früh, ob sich etwas ereignet hat. Ich will wissen, wer ein- und ausgeht.«
Der arme Rees, der schon den ganzen Tag auf den Füßen war, seufzte schwer.
»Ich weiß, ich weiß, es klingt grausam«, tröstete ihn der Inspektor, »aber wenn Sie mir diesen Gefallen tun, Rees, sollen Sie zwei Tage Urlaub haben!«
»Besten Dank, Sir. Essen darf ich aber wohl erst, wie?« Dick verstand den Galgenhumor und kicherte. »Ja, das können Sie!« Dann hängte er ein.
»Ich brauche einige elektrische Birnen, Minns«, wandte er sich an den Diener.
Als er Derricks Büro wieder betrat, um die Birnen einzuschrauben, fiel ihm auf, daß die Schranktür, die vorhin, als er das Mädchen ins Zimmer getragen hatte, offengestanden hatte, verschlossen war.
»So -«, murmelte er vor sich hin, »jetzt ist meine Stunde gekommen - zuerst einmal ein Stemmeisen her!«
Vorsorglich zog er erst an der Tür, in der Hoffnung, daß sie aufgehen würde. Aber sie war zweifach verriegelt, und es dauerte eine halbe Stunde, bis er sie mit dem Stemmeisen aufgebrochen hatte. Dann erst gab sie seinem wütenden Ansturm nach, ja, öffnete sich überraschend leicht.
Irgendwo muß ein elektrischer Kontakt vorhanden sein, der die Tür auf- und zuschnappen läßt, überlegte sich Staines. Wie dumm von mir, daß ich das nicht vorher schon ausprobiert habe!
Nun begann er, die Rückwand zu bearbeiten, gab aber den Versuch bald wieder auf, als er merkte, daß er auf diese Weise nie zum Ziel kommen würde. Auch die Seitenwand war aus gehärtetem Stahl. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er schickte einen Polizeibeamten nach unten, um sämtliche elektrischen Anschlüsse auszuschalten. Doch auch jetzt ereignete sich nicht das Erwartete.
»Schalten Sie die Leitungen wieder ein!« befahl er dem zurückkommenden Beamten. »Vielleicht arbeitet dieser Verschluß von einem Heizkontakt aus. Es gibt hier ja vier Sicherungen.«
Es dauerte ziemlich lange, bis der Mann, der nach unten gegangen war, den Kontakt wiederhergestellt hatte. Staines wurde schon ungeduldig. Auf einmal - er unterhielt sich gerade mit einem Inspektor des Überfallkommandos - spürte er, wie die Wand, gegen die er sich lehnte, nachgab. Sie öffnete sich wie eine Tür.
Er nahm seine Taschenlampe und leuchtete die Höhlung ab, in der eine steile Wendeltreppe aus Stein nach unten führte. Sie war so schmal, daß ein beleibter Mensch sie kaum hätte benützen können. Auch Staines mußte seitwärts gehen und den Kopf gesenkt halten, um nicht an die Decke zu stoßen. Er war kaum vier Stufen nach unten gestiegen, als er eine Maueröffnung sah. Er blickte hindurch und entdeckte, daß es sich um den Kaminabzug für den Salon handelte.
Von hier also war das höhnische Lachen gekommen, das ihn vor einigen Tagen so erschreckt hatte!
»Haben Sie je so etwas gesehen?« rief er dem oben gebliebenen Inspektor zu.
»Nein, aber diese Treppe kenne ich!«
»Woher?« fragte Staines
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