0661 - Dämonische Kreuzfahrt
Eintopf wäre mir in diesem Fall lieber gewesen. Die Türen zum Speisesaal waren weit geöffnet worden.
Zwei Stewards standen an den Seiten, lächelten, machten die Verbeugungen und sich ihre Gedanken über die Gäste, während sie stereotyp lächelten.
Leise Musik empfing uns. Das kleine Orchester bestand aus vier Personen und spielte Klänge aus der Zeit des Barocks. Vielleicht regten sie bei einigen Leuten den Appetit an, bei mir allerdings nicht.
Der Tisch des Kapitäns und McDuncan selbst waren im Licht der Kronleuchter nicht zu übersehen.
Der Mann stand da wie ein Fels in der Brandung, hatte seine prächtigste Uniform angezogen und sie mit allerlei Kram behängt, sodass er mich mehr an einen Operettenfürst erinnerte.
»Fühlen Sie sich eigentlich wohl?«, fragte ich ihn flüsternd bei der Begrüßung.
Er schaute mich kurz an. »Ebenso wohl wie Sie.«
»Dann ist ja alles klar.«
Wir waren nicht die ersten Gäste am runden Tisch. Zwei Damen saßen bereits, Mutter und Tochter, wie ich erkennen konnte. Oder zumindest verwandt.
Die Tochter gehörte zu den Grufties, woran auch die Schminke nichts ändern konnte, die Mutter schon zu den Komposties.
Ich habe nichts gegen alte Menschen, aber diese Tante sah aus wie eine Märchenhexe. Zudem hatte sie ihre Fingernägel noch verschiedenfarbig lackiert und die über den mageren Schultern hängende Stola erinnerte mich an eine verblichene Gardine, die zu viel Zigarettenrauch mitbekommen hatte.
Die Tochter trug die Nase derart hoch, dass sie aufpassen musste, damit es nicht hineinregnete. Dass sie uns überhaupt begrüßte, ging ihr gegen den Strich. Ausgerechnet mir saß sie gegenüber, mit ihrer blonden Hochfrisur, dem tief ausgeschnittenen Kleid, das eine Korsettform zeigte, damit der lange Hals frei blieb und sie ihren blitzenden Schmuck präsentieren konnte.
Außer dem Kapitän saßen noch acht Gäste an seinem Tisch, uns eingeschlossen.
Alles was recht war, er verstand es blendend, Konversation zu machen. Charmant unterhielt er sich mit seinen weiblichen Gästen, tat oft hochgradig interessiert, nickte hin und wieder, stellte auch Zwischenfragen, um das Gespräch in Gang zu halten, stellte uns zwischendurch sogar noch vor und grinste mir heimlich zu, wenn ich - ebenso wie Suko - die Augen verdrehte.
Das muss man können, ich hätte das nicht geschafft. Die Musiker brachten einen Tusch.
Die meisten Passagiere wussten, was folgte. Sie ließen die Gespräche versanden und warteten auf den großen Augenblick, den der Kapitän durch eine Rede einleitete.
Er erhob sich, Beifall durchbrauste den Raum. Das Personal hielt sich abwartend im Hintergrund auf und mein Blick fiel auf die hochnäsige Lady mir gegenüber, in deren Gesicht kein Muskel zuckte. Sie war perfekt geschminkt oder gespachtelt worden, bis hin zum Ansatz ihrer Brüste, die wegen des eingebauten starren BHs ziemlich in die Höhe gedrückt wurden.
McDuncan begann mit seiner Rede. Die Worte flossen ihm glatt über die Lippen. Ein Mann wie er hatte eben auch darin Routine, das gehörte zu seinen Aufgaben als Kapitän.
Ich hatte mich zurückgelehnt, die Beine ausgestreckt und machte nicht einmal ein interessiertes Gesicht, wie es die anderen taten, was mir aber keiner übel nahm.
Jemand stieß gegen meine linke Wade. Ich dachte an Suko, weil er an meiner linken Seite saß und sich bewegt hatte. Er aber konnte es nicht sein, denn kein Zucken der Mundwinkel verriet ihn.
Wieder berührte mich etwas. Diesmal allerdings länger, dann schob sich ein Schuh in mein Hosenbein. Sehr glattes Leder, sehr weich. Ich schaute hoch und sah die Tochter, die mir gegenüber hockte und so hochnäsig tat. Auch jetzt hatte sie diesen Blick, aber die Zunge huschte blitzschnell über ihre Lippen. Eine Schlange hätte nicht schneller züngeln können. Das Zeichen hatte ich verstanden und mein Lächeln huschte ebenfalls wie ein Hauch über die Lippen.
Ich wollte nichts von der Tante, sicherlich hatte sie ihre Probleme, aber ganz ohne Reaktion wollte ich sie auch nicht lassen.
Die Berührung verschwand blitzartig, als sich McDuncan wieder setzte, noch einmal aufstand, weil ihn der Beifall umtoste, sich endgültig niederließ und mit einem Taschentuch über die Stirn wischte.
Er hatte es hinter sich gebracht.
»Sie waren hervorragend!«, flötete die Tochter.
»Tatsächlich?«
»Ja, ausgezeichnet.«
Jetzt meldete sich die Mutter. »Alles Quatsch«, quäkte sie. »Ist doch nichts Neues. So eine Rede habe ich schon
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