0661 - Dämonische Kreuzfahrt
jagten die Kugelgarben gegen die Decke, auch in die Wände und zerbliesen die prunkvollen Lüster, sodass Glasstücke unterschiedlichster Größen auf die schreienden, von Panik erfüllten Passagiere hinabregneten und ein nie erlebtes Chaos schufen.
Es war kaum jemand an seinem Tisch sitzen geblieben. Die meisten waren aufgesprungen und versuchten Deckung zu finden, wobei viele unter die Tische krochen oder sich hinter den Sitzflächen der hochgehobenen Stühle verbargen.
Die Eindringlinge huschten gewandt, schnell und schießend durch den großen Speisesaal. Was ihnen im Weg war, räumten sie weg. Dabei war es ihnen egal, ob sie gegen Porzellan schlugen oder Speisen zur Seite schleuderten.
Sie konnten sich austoben, sie beherrschten die Szene. Sie waren deshalb so gut drauf, weil es sich bei den Opfern um Weiße handelte.
Sie schossen, sie lachten oder räumten sich den Weg mit harten Schlägen und Tritten frei.
Irgendwann hatte jeder seine Position erreicht, die zuvor bei den Planspielen abgesprochen worden war.
Da blieben sie stehen, die Waffen im Anschlag, doch die Gewehre und Maschinenpistolen schwiegen.
Die Fanatiker hatten Zeit. Sie warteten ab, bis sich die Passagiere beruhigt hatten, dann trat einer von ihnen auf das Podium und blieb vor einem Geiger stehen. Mit dem Lauf der Waffe strich er über dessen Schulter.
»Du wirst spielen und die anderen auch. Hast du gehört?«
»Ja, ja…«
»Dann mach.«
Die Musiker waren bleich wie kaltes Fett. Sie nickten, sich zu, einer sammelte sein Notenblatt auf.
Bach wollten sie spielen, doch es hörte sich an, als würden Katzen dazwischen jaulen. Die Musiker waren zu nervös und standen zudem unter einem gewaltigen psychischen Druck.
Das kümmerte die Eindringlinge nicht. Möglicherweise wunderten sie sich über die schrillen Klänge, ansonsten aber scheuchten sie die Passagiere mit barschen Worten und auch mit Taten in die Höhe. Wer nicht sofort gehorchte, bekam Tritte ab.
Auch die am Kapitänstisch sitzenden Passagiere hatten sich verkrochen. Die meisten vergingen vor Angst, doch nicht die Älteste unter ihnen, Heathers Mutter.
»Wir müssen etwas tun!«, zischte sie ihrer Tochter zu.
»Was denn und wie denn?«
»Ich weiß es noch nicht, Mädchen, aber ich werde mir etwas einfallen lassen.« Die knurrig wirkende Frau nickte energisch, bevor sie sich umschaute, aber so, dass es nicht auffiel, wobei die bewaffneten Eindringlinge auch nicht in ihre Richtung schauten. »Hinter uns ist eine Tür.«
»Weißt du denn, wohin sie führt?«
»Nicht genau. Ab und zu habe ich während des Dinners Personal kommen sehen.«
»Soll ich durch die Tür verschwinden?«
»Sprich nicht so laut, Heather.« Die Mutter bewegte beim Sprechen kaum die Lippen. »Die Tür ist wichtig. Verschwinde, bevor sie etwas merken.«
Heathers maskenhaft geschminktes Gesicht verzog sich. »Niemals, Mutter, das kannst du von mir nicht verlangen. Außerdem weiß ich nicht, was ich tun soll.«
»Stell dich nicht so an, Tochter!« Die Alte wurde giftig. »Soll ich es machen?«
»Nein, auch nicht, aber…«
»Heather. Ich bin sicher, dass du die beiden Männer sehen wirst, die zusammen mit dem Kapitän den Saal hier verlassen haben. Die beiden sind etwas Besonderes, das habe ich sofort gespürt. Außerdem hätte McDuncan sie sonst nicht mitgenommen. Vielleicht finden sie eine Lösung.«
»Welche denn?«
»Das sollst du erkunden. Und beeil dich, verdammt. Ich habe das Gefühl, als würden sich die Kerle hier aufteilen. So viele brauchen uns nicht zu bewachen.«
»Weißt du denn, wie viele sich noch auf dem Schiff aufhalten?«
»Woher?«
Heather wusste, dass sie gegen ihre Mutter keine Chance hatte. Was sie sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, das führte sie durch. Auch wenn es sich dabei um andere Personen handelte.
»Sieh zu, dass du die beiden Männer triffst, Heather.«
»Nein, das werde ich nicht.«
»Was dann?«
»Wenn ich gehe, will ich versuchen, auf die Brücke zu gelangen.«
»Die wird besetzt sein.«
Heather beobachtete die Männer. Sie hatten das Personal zusammengestellt. Die Stewards mussten die Arme hochheben und sich mit den Gesichtern zur Wand stellen. Dann kippten sie vor und stützten sich mit den Handflächen an der Wand ab.
Zwei Fanatiker genügten für den nächsten brutalen Job. Sie erschossen die Leute nicht, es reichten Totschläger, mit denen sie die Livrierten ins Reich der Träume schickten.
Immer dann, wenn ein Mann zusammenbrach, zuckten die
Weitere Kostenlose Bücher