0662 - Sturm auf den Todestempel
vorhat.«
»Das wird sie uns sagen, wenn wir bei ihr sind. Ich für meinen Teil werde jetzt gehen.«
Was Suko versprach, das setzte er auch in die Tat um. Ich konnte ihn nicht halten. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, setzte er sich in Bewegung.
Ich ließ ihn drei, vier Schritte weit kommen, dann folgte ich ihm. Ich wollte meinen Freund nicht allein lassen. Wir hatten den Kampf gemeinsam aufgenommen, wir würden ihn auch gemeinsam weiterführen, dass war Ehrensache.
»Es tut sich was, John!«, hörte ich Suko flüstern. »Ich merke es deutlich. Man kann Shao nicht ignorieren. Sie wird uns den Tempel zeigen, sie wird uns dabei helfen, das Geheimnis zu lüften. Sei froh, dass wir sie dabei haben.«
Sukos Worte tropften an mir ab. Für mich war Shao als existente Person wichtiger. Ich konnte meinen Blick einfach nicht von ihr lösen, denn mir gefiel ihre Gestalt nicht.
Einen direkten Grund hätte ich nicht nennen können, es war einfach so, und bei jedem Schritt verstärkte sich das Gefühl, dass mit ihr etwas nicht stimmte.
Das Licht kam mir nicht mehr so lockend oder freundlich vor. Es hatte längst eine andere Bedeutung für mich und durchaus eine gefährliche.
»Sei nur auf der Hut, Suko.«
»Das bin ich immer.« Er ging schneller und sprach seine Partnerin auch an, die auf uns wartete. Sie blieb stumm wie ein Fisch. »Was ist geschehen? Was hast du entdeckt?«
Schüttelte sie den Kopf, oder flimmerte nur das Licht um ihre Gestalt? So genau konnte ich es nicht feststellen.
Suko erreichte als Erster die Schwelle. Genau in diesem Moment zog sich Shao etwas zurück, allerdings sah sie nicht so aus, als wollte sie flüchten, denn sie blieb stehen.
»Shao, ich…«
»Achtung, Suko!«
Diesmal hörte er nicht auf mich. Er trat in das Licht, streckte den Arm vor. Für mich sah es aus, als würde er sich langsamer bewegen als sonst, obwohl er mit der gleichen Schnelligkeit reagierte.
Und Shao löste sich auf!
Es war ein unheimlicher Vorgang, den keiner von uns so recht begriff. Suko hatte sie noch anfassen wollen, aber seine Hand war durch ihre Gestalt hindurch gegangen.
Sie stand da und war trotzdem nicht vorhanden gewesen. Dann gab es sie überhaupt nicht mehr.
Ich stand noch vor der Schwelle. Suko hatte den Gang bereits betreten, drehte mir den Rücken zu und starrte nach vorn, als könnte er seine Partnerin dort sehen.
Es gab sie nicht mehr. Das Licht schien sie aufgelöst zu haben.
Er drehte sich um und bewegte sich dabei wie ein alter Mann. Starr schaute er mir ins Gesicht, formulierte zuerst den Namen der Chinesin, dann meinen.
»Ich weiß es nicht, Suko.«
»Komm her.«
Mit einem Schritt überwand ich die Grenze. Neben Suko wollte ich stehen bleiben, der aber ging zur Seite und lehnte sich mit der rechten Schulter gegen die Wand. »Sie war es, John, und sie war es nicht. Wo ist die Erklärung?«
»Eine Täuschung, Suko, eine Irritation.«
»Magisch?«
Ich hob die Schultern. »Nicht unbedingt. Sie sah mir eher aus wie ein Hologramm, ein dreidimensionales Bild, wenn du verstehst.«
Er nickte. »Sie war der Lockvogel ohne Körper.« Er schluckte, holte tief Luft und wollte wissen, wie es weiterging.
Suko war verzweifelt, auch geschockt. Er griff unter seine Jacke und zog den deformierten Stab hervor. »Ich glaube, dass wir uns auf der Verliererstraße bewegen.«
So deprimiert hatte ich ihn selten erlebt, zeigte jedoch Verständnis für ihn. Auch ich hatte mich schon in ähnlichen Situationen befunden. Es kam jetzt darauf an, dass ich die Nerven behielt und mich nicht verrückt machen ließ.
Mein Freund lehnte noch immer an der Wand. »Steck ihn wieder weg!«, riet ich ihm.
»Was soll ich?«
»Den Stab wegstecken. Es hat keinen Sinn, wenn du ihn betrachtest. Du musst dich auf andere Dinge konzentrieren. Vielleicht finden wir eine Lösung für das Problem.«
»Was willst du denn tun?«
Uns blieb nur die Möglichkeit, durch diesen Gang tiefer in den geheimnisvollen Dschungel hineinzugehen. Ich war nur froh, dass uns nicht das Gleiche widerfahren war wie Hiob. Ihn hatten die fremden Kräfte weggezerrt. Weshalb sie so unterschiedlich reagierten, konnte ich auch nicht sagen.
Suko hatte den Stab verschwinden lassen und spürte den Druck meiner Hand auf seiner Schulter, als ich ihn herumzog. »Komm bitte, reiß dich zusammen.«
Er wischte mit dem Handrücken über seine Stirn. Wohl mehr eine Geste der Verlegenheit. »Ja, John, es ist schon gut. Es wird ja alles glatt gehen.« Er sprach
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