0665 - Vampirstadt Berlin
einen Whisky. Konowski, der einen Stiefel vertrug, blieb beim Wodka.
»Ein Trinkspruch fällt mir nicht ein!« flüsterte er. »Trinken wir darauf, daß alles gutgeht.«
Das machten wir. Ich saß wie auf heißen Kohlen, denn ich wollte weg von der Bar. Ich kam mir in dieser Ecke einfach zu passiv vor. Meine Blicke glitten so gut wie möglich durch den von Kerzenschein erleuchteten Raum. Auf den blanken Stellen hinterließen die rotgelben Flammen blitzende Reflexe. Und wie kleine Elmsfeuer glitten sie auch über die Außenhaut der aufgestellten und gespülten Gläser.
Der Hoteldirektor erschien. Er war etwas außer Atem, brachte die Decke mit und reichte sie mir.
»Würden Sie das machen?«
»Schon gut.«
Ich breitete die Decke über die beiden Gestalten aus, die zwischen Theke und Sitzbank klemmten.
Es war zwar nicht die feine Art, doch in diesem Fall die einzig richtige Lösung.
Ahrens war beruhigt. Er versuchte sogar zu lächeln, das allerdings mißlang ihm.
Er sprach mich an. »Ich will gar nicht wissen, wie das geschehen ist, aber sagen Sie mir eines: Müssen wir damit rechnen, daß sich so etwas wiederholt?«
»Wollen Sie die Wahrheit wissen?«
»Deshalb stehe ich hier.«
»Ja, Herr Ahrens, Sie müssen damit rechnen, so leid es mir tut.«
Ihm wurde der Kragen zu eng. Mit dem Zeigefinger fuhr er zwischen Stoff und Hals. »Soll das heißen, daß dieses Hotel hier unterwandert ist? Meinen Sie das?«
»So kann man es auch sagen.«
Er atmete ächzend aus. »Das wäre ja furchtbar, das wäre schrecklich. Das kann ich nicht fassen. Ist der Schrecken, der dort draußen vorherrscht, in unser Hotel eingedrungen?«
»Es war ein anderer Schrecken.«
»Kennen Sie den?«
»Sicher. Halten Sie sich fest, Herr Ahrens. Glauben Sie an Vampire?«
Der Mann wußte nicht, wie er reagieren sollte. Er entschied sich dann für ein scheues Lächeln.
»Meinen Sie diese Märchen, mit denen man Menschen angst machen kann?«
»Es sind keine Märchen.«
Er blickte in mein ernstes Gesicht. Seine Hände glitten über das Holz der Theke, und es blieben feuchte Spuren zurück. »Diese beiden Toten - waren es Vampire?«
»So ist es. Und wir müssen davon ausgehen, daß sich noch mehr dieser Bestien in Ihrem Hotel aufhalten. Mir geht es vor allen Dingen um eine Person.«
»Welche bitte?«
»Frau Nadine Berger. Die müßte bei Ihnen wohnen, Herr Ahrens.«
»Kann sein. Ich… ich habe nicht alle Namen im Kopf. Können Sie mir die Dame beschreiben?«
Ich erinnerte mich. Auch im Sarg liegend, hatte Nadine nicht anders ausgesehen als früher. Nur wußte ich nicht mehr, welche Kleidung sie getragen hatte. So gut wie möglich beschrieb ich die Person. Ahrens hörte aufmerksam zu, darin nickte er. »Ja, die Frau habe ich in meinem Hotel gesehen.«
»Wann und wo?«
»Das war heute.«
»Am Abend, am Morgen…?«
»Es ist… mein Gott, wenn ich mich nur erinnern könnte.« Er faßte sich an den Kopf. »Die Zeit ist heute so schnell vergangen, da habe ich jeden Begriff dafür verloren…«
»Aber es war schon dunkel?« half ich ihm auf die Sprünge.
»Ja, da haben Sie recht.«
»Dann ist sie hier.«
»Und diese Frau suchen Sie.« Er tupfte wieder Schweiß von seiner Stirn, denn die folgende Frage fiel ihm nicht leicht. »Ist sie denn auch ein Vampir?«
»Leider.«
Ahrens wußte nicht, was er sagen sollte. Dann hob er die Schultern, hüstelte und bat, ihn zu entschuldigen, denn er müßte sich um die anderen Gäste kümmern.
Konowski grinste hinter ihm her. »Der Knabe hat seinen Glauben verloren, Sinclair.«
»Ist das ein Wunder?«
»Bestimmt nicht.« Der Detektiv winkte ab. »Wenn mir jemand vor einem Monat erzählt hätte, daß es Vampire in Wirklichkeit gibt, hätte ich ihn für bescheuert gehalten. Jetzt denke ich natürlich anders darüber.«
»Wie dem auch sei, Konowski. Es ist am besten, wenn Sie mich durchlassen.«
»Sie wollen weg?«
»Natürlich. Hier sitze ich eingeklemmt. Die beiden Toten können niemandem mehr was tun. Für uns ist es wichtig, die anderen Blutsauger zu finden. Da sie es geschafft haben, die elektrische Versorgung außer Betrieb zu setzen und das Notstromaggregat nicht die Leistung bringt, gibt es genügend dunkle Stellen, wo sie sich aufhalten können. Allerdings rechne ich auch damit, daß die Bestien sich auf den Weg machen, um ihren Blutdurst zu stillen.«
»Okay, ich bin dabei.« Er rutschte aus der Lücke, wollte noch zahlen, der Keeper winkte ab.
»Das geht auf Kosten des Hauses.«
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