0693 - Voodoo in Dortmund
gleichzeitig zur Seite und nach hinten, wo Ewald Fehlau stand und die Frau mit einer Reflexbewegung auffing.
Er schien der einzige zu sein, der noch handlungsfähig war, riß die Frau aus der Gefahrenzone fort und schleuderte sie kurzerhand hinter sich, wo noch mehrere verschlossene Kartons standen, auf denen sie rücklings landete.
Die anderen umstanden den Tisch auch jetzt wie Statisten. Es waren nicht wenige, und so nahmen sie Besuchern, die den Schrei ebenfalls gehört hatten und nachschauen wollten, die Sicht.
Der Aal hatte sich festgebissen. Er öffnete sein Maul und schnappte wieder zu. Wenn es so weiterging, dann würden seine Zähne den Kopf des Mannes durchbeißen und Reinhold töten. Sie alle hier wußten ja nichts von den schrecklichen Vorfällen in London, wo der Tod bereits zugeschlagen hatte.
Endlich versuchte Reinhold so etwas wie eine Gegenwehr. Er hatte beide Arme angehoben und schnappte mit den Händen zu. Wie krumme Speichen legten sich die Finger um den Körper des höllischen Wesens, das aber soviel Kraft in sich hatte und die Arme des Mannes mitbewegte, als es von einer Seite zur anderen zuckte.
Dann griff Ewald Fehlau zu.
Er wußte zwar nicht, was er tun sollte, aber er mußte irgend etwas machen, sonst würde er noch verrückt. Mit einem Schulterrammstoß warf er Reinhold über den Tisch mit Romanen und bunten Comics, die nicht alle in den Kartons standen und durch den plötzlichen Druck von der Platte und zu Boden gefegt wurden.
Wieder löste sich der Mordaal für einen, Moment und wollte wieder zuschnappen.
Fehlau war schneller.
Beim nächsten Biß ratschten die Zähne noch über den Hals des Verletzten und hinterließen dort auch Wunden, aber Fehlau hatte es geschafft, daß böse Wesen fortzureißen.
Er starrte es an.
Er sah die Augen.
Er sah den Tod.
Und er schleuderte es weg.
Zum Glück so hoch, daß es über die Köpfe der Zuschauer hinwegwirbelte, auf einen der Tische krachte, dort weiterrutschte, dann zu Boden fiel und verschwunden war.
Der gesamte Vorgang hatte nicht einmal zehn Sekunden gedauert, und die Zeit war den Beteiligten doppelt so lang vorgekommen. Sie hatten das Grauen erlebt, waren aber nicht in der Lage, etwas dagegen zu tun. Diese Dinge überstiegen einfach ihre Vorstellungskraft. Selbst als Zuschauer konnten sie es nicht akzeptieren.
Lucien Lavalles Gesicht bewegte sich, als hätte seine Haut einen Gummiüberzug bekommen. Für den Augenblick erinnerte er an ein böses Tier, das sich voll und ganz darauf konzentriert hatte, alles in seiner Umgebung zu vernichten.
Er hob den Kasten an, kippte ihn, so daß die restlichen drei Aale über die Oberfläche ins Freie huschen konnten, sich aber keine neuen Opfer suchten, sondern blitzartig verschwanden, zunächst begleitet vom harten Lachen des dunkelhäutigen Teufels und dann von einer seiner Drohungen.
»Vernichten werden sie alle, die gegen sie sind. Vernichten.« Er ballte die rechte Hand zur Faust und stieß den Arm in die Höhe. »Der Tod wird diejenigen treffen, die unwürdig sind.«
Dann drehte er sich um und ging.
Es war kein Gehen im eigentlichen Sinne. Er stieß die Gäste zur Seite. Er trat einem Mann in den Magen, und es war niemand da, der ihn aufhielt, als er zu einer Treppe eilte, die im großen Bogen in den Keller führte, wo sich auch die weiträumigen Toilettenräume befanden. Ein junges Mädchen, das ihm auf der Treppe begegnete, sah die Gestalt, bekam Angst und bekreuzigte sich hastig.
Dann war er weg.
Gekommen wie ein Spuk, verschwunden wie ein Spuk, und er hatte das Grauen hinterlassen.
Möglicherweise sind Roman- und Comicfans anders als die normalen Menschen, denn zu einer Panik war es nicht gekommen. Es herrschte nur eine helle Aufregung. Sie konzentrierte sich besonders dort, wo sich der Tisch der Wedekinds befand.
Reinhold wimmerte. Seine Frau weinte, andere waren totenblaß und taten überhaupt nichts, weil sie sich nicht zurechtfanden. Sie waren mit diesen Dingen nicht konfrontiert worden.
»Und den ersten Preis bekommt die junge Dame im gelben Pullover. Es ist ein Paket mit seltenen Comic- und Romanheften. Ich gratuliere Ihnen herzlich.«
Peter Köhlers mikrofonverstärkte Stimme hallte in den Nebenraum und hörte sich an wie der kalte Hohn im Vergleich zu den schrecklichen Dingen, die hier passiert waren.
Reinhold Wedekind wimmerte. Seine Frau hockte neben ihm und weinte laut. Jemand schrie, daß ein Arzt geholt werden mußte, und Ewald Fehlau, der Mann, der lange genug
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