0702 - Das Stummhaus
tun?"
„Jeden, Jasmin."
Sie lächelte voller Erleichterung.
„Dann taufen Sie meinen Sohn, jetzt und hier. Nennen Sie ihn zur Erinnerung und Mahnung Perry. Ja, Sie haben richtig gehört.
Ich möchte, daß mein Sohn den Namen des Mannes trägt, der seit vierzig Jahren verschollen ist und der, so hoffe ich, eines Tages zurückkommen wird, um die Aphiliker zu bestrafen für ihre Untaten und für ihre Unmenschlichkeit. Nennen Sie meinen Sohn Perry Greender."
Vester sah Hart unsicher an, ehe er versicherte: „Gut, Jasmin, wir werden Ihren Sohn auf den Namen Perry taufen, und bei uns soll er auch so heißen, bis er eines Tages alt genug sein wird, sich seines Namens würdig zu erweisen."
„Danke", hauchte sie und schloß erschöpft die Augen.
Sekunden später schlief sie wieder.
*
Hart und Vester hatten Rhodan nie in ihrem Leben persönlich kennengelernt. Für sie war er schon so etwas wie eine Legende mit historischem Hintergrund, aber wie alle anderen Immunen hofften auch sie auf eine Rückkehr des einstigen Großadministrators.
Und wenn er kam, würde er ein Mittel gegen die Aphilie mitbringen, auch wenn er noch einmal der Erde eine neue Sonne geben mußte.
Hart fütterte das Baby. Jasmin wurde nicht einmal wach, als man es aus ihren Armen nahm. Sie schlief tief und fest, aber ihr Gesicht war wieder blasser geworden. Das Fieber stieg.
„Sie stirbt", sagte Vester, während Hart das Kind wickelte und ins Bett zurücklegte. „Ich sehe doch, daß sie stirbt."
„Wir haben alles getan, was unter diesen Umständen möglich war. Mehr konnten wir nicht tun, ohne die Organisation in Gefahr zu bringen. Wenn Jasmin stirbt, müssen wir sofort das Hotel verlassen. Sie bleibt zurück."
„Du sprichst, als wäre sie schon tot."
Hart nickte.
„Du hast selbst gesagt, daß sie stirbt."
Jasmin erwachte noch einmal und drückte ihr Kind an sich.
„Es dauert nicht mehr lange", hauchte sie, und es war, als wolle sie die Männer damit trösten und beruhigen, daß sie ihnen bald nicht mehr zur Last fiel. „Ich vertraue Ihnen meinen Sohn an, Ihnen und den anderen Immunen. Wie schade, daß ich sie niemals kennenlerne."
„Ruhig bleiben, Jasmin", sagte Vester fast zärtlich und legte ihr seine kühle Hand auf die fiebernde Stirn. „Wir werden für den kleinen Perry sorgen. Wenn er einst erwachsen ist, wird die Welt wieder anders aussehen, und er wird uns dabei helfen, sie zu verändern. Wir werden ihm erzählen, wer seine Mutter war und wie tapfer sie gewesen ist. Und nun versuchen Sie zu schlafen."
Sie lächelte ihm zu.
„Danke, Vester. Auch Ihnen Dank, Hart. Sie waren gut zu mir.
Und nun will ich schlafen, auch wenn ich weiß, daß ich nie mehr aufwachen werde. Lebt wohl, meine Freunde... und lebe wohl, Perry ..."
Sie drückte ihn noch einmal an sich, dann schloß sie die Augen.
Sie schloß sie für immer.
*
Nur mit Mühe unterdrückte Vester seine Traurigkeit und seinen Zorn, als sie gestorben war.
„Ich werde es ihnen heimzahlen, diesen Aphilikern! Bringe das Kind in Sicherheit, Hart, und warte nicht auf mich. Noch in dieser Nacht werde ich ins Stummhaus eindringen."
Hart legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Du darfst die Beherrschung nicht verlieren, Vester. Es steht viel auf dem Spiel, vergiß das nicht! Wir haben eine Aufgabe und benötigen Informationen, keinen toten Aphiliker. Außerdem konnten wir feststellen, daß nachts keine alten Leute aufgenommen werden. Du mußt also bis morgen früh warten."
„Aber ich brauche eine neue Einweisung, die erste ist wertlos geworden."
„Du wirst dir schon eine beschaffen."
In dem einen Bett lag die tote Jasmin, in dem anderen das Baby.
„Wir werden auf dem Boden schlafen müssen, oder ziehst du die Badewanne vor, Hart?"
„Ich lege mich zu dem Kind. Es braucht die Wärme eines Menschen."
„Na schön, ich mache dann noch einen Spaziergang. Vielleicht finde ich etwas heraus."
„Sei vorsichtig", warnte Hart und zog sich aus. „Und komm nicht zu spät wieder. Du mußt morgen ausgeschlafen sein, außerdem müssen wir noch die Maske anlegen."
„Keine Sorge", beruhigte ihn Vester und ging.
Wahllos streifte er durch die fast leeren Straßen der Vorstadt, und als er sich einmal umblickte, mußte er erkennen, daß er instinktiv vor den Mauern des Stummhauses Nr. 23 angelangt war. Und er sah, wie sich das Türchen in dem großen Tor öffnete und zwei uniformierte Männer herauskamen. Die Tür schloß sich wieder.
Die beiden Männer
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