0715 - Tanz der Messer
blitzschnell zurückgezogen hatte. Er war hinter einem dunkelgrünen Busch verschwunden, auf den die Strahlen der Sonne fielen und den Blättern einen gewissen Glanz verliehen.
War das Suko gewesen?
Jane wischte über ihre Augen. Sie schluckte, sie räusperte sich, sie dachte plötzlich daran, daß sie sich einiges zusammenreimte und einbildete, aber möglich war es schon.
Eigentlich hatte sie vorgehabt, die Wege so kurz wie möglich zu halten. Nun kümmerte sie sich nicht um das verletzte Bein, sie mußte einfach nachsehen, das entsprach ihrer Natur. Sie war neugierig und bewegte sich auf den Busch zu.
Er gehörte zu einer Gruppe von Rhododendrensträuchern, die sich auf dem glatten Grasboden präsentierten. Sie standen dicht beisammen, die Lücken zwischen ihnen waren klein, und Jane schaute in sie hinein.
Nichts war zu sehen.
Sie suchte nach Spuren.
Das Gras war zwar an einigen Stellen niedergetreten worden, doch auf Suko und diesen fremden Mann deutete nichts hin.
Du spinnst, sagte sie sich. Du bist völlig verrückt. Du bist nicht mehr Herr deiner Sinne, das ist…
»Hallo, Madam…«
Jemand sprach sie an. Sie drehte sich um, sah einen der Gärtner, der vor ihr stand.
»Ja bitte.«
»Es ist eigentlich nicht erlaubt, den Rasen hier zu betreten. Es gibt andere Orte, wo…«
»Sorry, aber ich suche jemand.«
Der Mann, der einen grünen Overall trug, zeigte Interesse. »Wen denn? Einen Patienten?«
»Nein, einen chinesischen Jungen, der mit einem Erwachsenen unterwegs ist.«
Der Gärtner dachte nach, erklärte, wo er in den letzten Minuten gearbeitet hatte und mußte bedauernd die Schultern heben. »Tut mir leid, die habe ich nicht gesehen.«
»Danke, Mister, es war auch nur so eine Idee.« Jane nickte ihm zu und humpelte davon.
Getäuscht - nicht getäuscht?
Sie wußte es nicht, sie lachte dann über sich selbst und ihre Einbildungskraft.
Wahrscheinlich stand sie so sehr unter Streß, daß sie schon Gespenster sah, wo es keine gab. Allerdings wollte sie John von dieser Entdeckung berichten.
An der Anmeldung ging alles glatt. Sie bekam die Zimmernummer gesagt, fuhr hoch, klopfte an die Tür und öffnete vorsichtig.
Und sie erwischte mich im falschen Moment, denn ich hatte beschlossen, meine Gehversuche fortzusetzen.
Ich stand mitten im Raum, als die Tür aufging und sich Jane Collins in das Zimmer schob.
»Du?« rief ich und bekam einen roten Kopf. Wahrscheinlich deshalb, weil ich noch immer das Krankenhaushemd trug.
»Ja, wer sonst?«
»Na ja, ich meine…« Dann schaute ich auf ihr Bein, denn sie humpelte, als sie näher kam. »Du hättest lieber zu Hause bleiben und dein Bein pflegen sollen.«
»Für dich ist mir kein Weg zu weit.« Sie reichte mir das Päckchen. »Hier, das habe ich unter wahnsinnigen Kosten und Mühen erworben.« Ich nahm es entgegen und umarmte meine Besucherin. Ich war froh, Jane Collins zu sehen.
Auf dem Bett setzte ich mich nieder und wickelte das Papier ab. Jane Collins wußte, daß ich gern einen guten Tropfen trank, und dem hatte sie Rechnung getragen.
Es war ein hervorragender Cognac, da hatte sie wirklich tief in die Tasche greifen müssen.
»Danke«, sagte ich, »das ist toll.«
»Aber nicht hier trinken.«
»Nein, keine Sorge.« Ich ließ die Flasche in meinem Nachttischschrank verschwinden. Jane hatte sich mittlerweile einen Stuhl geholt und saß vor meinem Bett.
»Weißt du, wen ich gesehen habe, John?«
»Nein.«
»Suko.«
Ich hob den Kopf. »Oh - ist er schon da? Oder ist er noch unterwegs? Hast du ihn überholt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wie meinst du das denn?«
»Er wollte mich zusammen mit Bill besuchen. Ich wundere mich schon, wo sie bleiben.«
»Bill?« flüsterte Jane erstaunt.
»Ja, Bill Conolly.«
»Den habe ich nicht gesehen. Da war wohl jemand bei Suko, aber nicht unser Freund Bill.«
Jetzt schüttelte ich den Kopf. »Sorry, aber das verstehe ich nicht. Was ist denn da so komisch? Was hast du gesehen, erlebt?«
Die Detektivin winkte mit beiden Händen ab. »Lege meine Worte um Himmels willen nicht auf die Goldwaage, John, ich kann mich auch ebensogut geirrt haben…«
»Was hast du gesehen, Jane?«
Sie erzählte es mir, und ich hörte gespannt zu. In der letzten Zeit stand ich sowieso unter Druck.
Sukos Schicksal hatte auch mich tief getroffen. Auf alle Dinge, die ihn betrafen, reagierte ich allergisch. Solange er noch als Kind umherlief, würde ich das niemals akzeptieren können, und bei allem, was in einem
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