0725 - Der Satan von Sachsen
sich auch nicht nach außen biegen, also mußte es halten.
Allmählich trocknete auch der Schweiß auf meiner Stirn, der sich bei dem Fast-Fall gebildet hatte.
In der Kälte hatte ich das Gefühl, als würde er zu Eis werden.
Mit dem Rücken gegen das Geländer gedrückt, glitt ich voran. Zum Glück wurde es unter mir durch Querbalken von der Wand her kommend gehalten.
Es ging.
Und mein Freund Harry Stahl zitterte dabei mehr als ich. Das verdammte Holz war glatt geworden.
Die Kälte hatte die Feuchtigkeit zu einer Eisschicht werden lassen. Wenn ich einmal nur ausrutschte, war der Käse gegessen.
Ruhig bleiben, nur ruhig Blut. Ich riß mich zusammen. Mein Gesicht war so glatt wie eine Maske, deren Mund leider etwas schief und in die Breite gezogen war.
Dann hatte ich es geschafft!
Kein Jubelschrei drang über meine Lippen, als ich stehenblieb und Harry winkte.
»Und? Wie war es?«
»Super.«
»Darf ich mal lachen?«
»Nein, aber kommen.«
»Bleibt mir ja nichts anderes übrig«, sagte er, ging aber noch nicht, sondern schaute erst zu Boden und änderte seine Blickrichtung, um an mir vorbeizusehen.
»Was hast du?« fragte ich ihn.
Er gab mir eine Antwort, mit der ich nie gerechnet hätte, denn er zog seine Waffe.
»Harry, bist du…?«
»Weg, John!«
Ich warf mich zur Seite.
Stahl schoß.
Der Krach zerfetzte die Stille. Das Echo rollte über den Burghof, schmetterte gegen die Wände, verdoppelte und verdreifachte sich, und ich war gegen die Mauer des Wehrgangs gefallen, blieb dort stehen und schaute zum Turm hin.
Da stand die Gestalt.
Sie trug keinen langen Vampirumhang, sondern einen alten Anzug, der ihr zu weit war. Aus dem Kragen schaute der Hals hervor und auch das Gesicht.
Von dem allerdings war nur mehr ein Teil vorhanden, das andere Stück war von der Silberkugel zerschmettert worden, die den Blutsauger erwischt hatte.
Ich sah ihn, und da genau bewegte er sich. Er schaffte es nicht, auf das Geländer zuzutaumeln. Es war nicht mehr hoch, die Gestalt ging auch zu schnell, bekam das Übergewicht und viel in den Burghof. Unterwegs begann bereits der Vorgang der Auflösung. Eingehüllt in Staubfahnen brachte er den letzten Rest des Weges hinter sich, bis seine Reste schließlich auf dem alten Pflaster liegenblieben.
Ich strich über mein Haar. »Pardon, Harry, ich will ja nichts sagen. Allmählich aber entwickelst du dich zu einem richtigen Schutzengel für mich.«
»Daran kann man sich gewöhnen.«
»Das hoffe ich doch.« Er steckte die Waffe wieder weg.. »So, und jetzt haben wir unser Kommen richtig eingeläutet. Da macht es mir direkt Spaß, das Loch zu überqueren.«
Der Kommissar beging nicht den Fehler, nachlässig zu werden. Sehr konzentriert bewegte er sich auf demselben Weg wie ich zuvor. Und diesmal hatte ich meine Waffe gezogen, um auf irgendwelche Überraschungen schnell reagieren zu können.
Es lief wie am Schnürchen. Die letzte Tat hatte Harry tatsächlich eine gewisse Sicherheit gegeben.
Tief atmete er durch, als er neben mir stand. »Kann uns noch was erschüttern?« fragte er. In seiner Stimme schwang der Optimismus mit.
»Abwarten«, erwiderte ich und setzte mich in Bewegung. Ich näherte mich auf direktem Weg dem Turm und auch dessen Eingangstür, den der Blutsauger nicht wieder hinter sich geschlossen hatte…
***
Sie standen in der Halle, und sie waren allein, denn ihre Helfer hatten sie überall verteilt.
Rico hatte sich einem der großen Fenster so weit genähert, daß er nach draußen auf den Hof schauen konnte. Hinter sich hörte er die Geräusche des einzigen weiblichen Blutsaugers, der schrecklich nervös war und ständig mit den Füßen über den grauen, staubigen Steinboden scharrte. Auf ihm lagen längst keine Teppiche mehr. Sie waren allesamt aus dem Schloß entfernt worden.
Rabenberg wirkte wie ein kaltes, leeres Denkmal aus der Vergangenheit. Ein Gemäuer, in dem sich der Tod wie zu Hause fühlen konnte.
»Sie sind da, nicht?« fragte Helga Stoßflug.
»Inzwischen schon.«
»Dann werden sie auch in die Fallen laufen!«
Rico schwieg.
Das gefiel ihr nicht. »Sie werden doch in die Fallen gehen - oder? Es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig.« Die Untote trat näher an ihren Herrn und Meister heran. Sie wollte einfach keine negativen Nachrichten hören, nur gute Kunde, denn damit hoffte sie, den Drang nach frischem Menschenblut kompensieren zu können.
»Warum sagst du nichts?«
»Sie sind schlau.«
»Auch schlauer als du?« fragte Helga
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