0729 - Laurins finsteres Reich
bereits eine weiße Schicht.
Keine Spur von Diablita und ihren verdammten Zwergen und auch keine von Karl Lechner.
Um ihn machte ich mir die meisten Sorgen. Ich wußte nicht, wohin er verschleppt worden war, ich wußte nicht einmal, ob er noch lebte. Die Zwerge waren brutal, ich hatte es erlebt, nicht nur oben in der Berghütte, sondern auch beim alten Savini. Sie besaßen gefährliche Waffen, die einen normalen Menschen veränderten.
Keine Spuren, nur ich hinterließ Abdrücke in der Schneeschicht. Hin und wieder strich der Wind dagegen und bewegte sie wie ein feines, weißes, rollendes Meer.
Ich stöhnte auf. Wenn sich ein Mensch unwohl in seiner Haut fühlte, dann war ich es.
Die kleinen Körner tanzten und wirbelten vor meinen Augen. Noch immer peitschten sie gegen die Haut, sie klebten für einen Moment fest, um dann zu tauen.
Es war wie eine tückische Verschwörung gegen mich. In diesem Wetter hatten die Zwerge eine perfekte Deckung. Was konnten sie vorhaben, wo steckten sie?
Wenn sie ihren Plan eiskalt durchzogen, mußte ich davon ausgehen, daß sie bereits in andere Häuser eingedrungen waren, um dort den Nachschub für ihren verdammten Garten zu finden. Leider hörte ich keinen Ruf, keinen Schrei. Wenn Menschen die Zwerge sahen, konnten sie diese Tatsache nicht einfach still hinnehmen.
Nur das Rieseln des Schnees, der mit seinen Körnern überall auftraf, war zu hören.
Ich steckte in einer Sackgasse. Was tun?
Ich entschloß mich, wieder ins Haus zu gehen. Margot Lechner hatte ein Recht darauf zu erfahren, daß es mir nicht gelungen war, ihren Mann zu finden. Möglicherweise gab ihr das Hoffnung. Enttäuscht worden war sie schon zu oft.
Ich ging nicht denselben Weg zurück, sondern umrundete das Haus. Handschuhe hatte ich nicht übergestreift. Der Wind biß kalt in meine Hände hinein, er sorgte dafür, daß die Finger allmählich starr wurden. Um dem vorzubeugen, bewegte ich sie einige Male und steckte die Hände dann in die Taschen der Jacke.
Als ich die Hauptstraße wieder erreichte, sah ich nur mehr die weißen Wolkenwirbel, die durch das Licht der Lampen wehten. Ein riesiges Schneeungeheuer schien sein Maul geöffnet zu haben, um unzählige Flocken über dem Ort zu verteilen.
Ich ging langsam weiter. Es war rutschig geworden. Kein Mensch außer mir befand sich auf der Straße.
Nach wenigen Schritten erreichte ich die Treppe. Vor der Haustür brannte eine Lampe. Ihr Schein reichte bis auf den Gehsteig und hinterließ dort nur mehr einen bläulich schimmernden Fleck auf der dünnen Schneedecke.
Aber noch etwas sah ich.
Vor der untersten Stufe lag eine Gestalt.
Ich ging schneller.
Plötzlich bekam ich eine Gänsehaut. Schon jetzt hatte ich erkannt, daß es kein normaler Mensch war, sondern ein Zwerg.
Ich wagte es kaum, mich zu bücken, weil ich damit rechnete, daß aus dem wirbelnden Vorhang gespenstische Gestalten erscheinen würden, um mich zu töten.
Ich schaute nur in das Gesicht des Toten. Das war möglich, weil er auf dem Rücken lag.
Auch als Zwerg hatte sich sein Ausdruck so gut wie nicht verändert. Vor mir lag der Bürgermeister Karl Lechner…
***
Und das war nicht einmal eine so große Überraschung für mich. Ich war nur so verdammt enttäuscht, daß er trotz meiner Warnungen in diese magische Falle hineingetappt war. Das hätte ich ihm nicht gegönnt, das war irgendwie unfair.
Ich richtete mich wieder auf, drehte mich, aber es kam niemand, der mich hätte angreifen wollen.
Wahrscheinlich beobachteten mich die Zwerge aus sicherer Deckung.
Was sollte ich mit ihm anstellen? Ihn einfach liegenlassen oder ins Haus tragen?
Ich entschied mich für die zweite Lösung. Deshalb bückte ich mich, stemmte und schob meine Arme unter den kleinen, aber schweren Körper und wuchtete ihn hoch.
So rasch wie möglich ging ich die Stufen hoch. Mit der Schulter drückte ich die Tür auf, und die Wärme des Hauses erfaßte mich von vorn, während noch auf meinen gekrümmten Rücken die kleinen Schneekristalle prasselten.
Das Licht im Flur strahlte auch eine gewisse Gemütlichkeit aus. Mir aber kam es vor wie hartes Eis.
Überhaupt hatte sich die kleine Welt hier verändert. So gemütlich ein verschneites Dorf auch aussehen mochte, in diesem Fall lauerte der Tod zwischen den Häusern.
Und ich hatte noch immer keinen dieser verfluchten Zwerge erwischt. Das ärgerte mich am zweitmeisten. Am stärksten allerdings wurmte es mich, daß ich Trudi nicht zu Gesicht bekommen hatte.
Diese
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