0734 - Dem Wahnsinn nahe
unheimlichen Vorgang dokumentierte. Das Grauen hatte ihn wie ein Tiefschlag erwischt. Die Kälte der Furcht setzte sich in seinem Nacken fest wie eine Schicht aus Eis.
Suko konnte es nicht fassen. Als geflüsterte Worte löste sich der Name seines Freundes von den Lippen, und automatisch dachte er an Susan Carter, wie sie sich im Hinterhof aus dem, Fenster gelehnt und wie sie dabei ausgesehen hatte.
Verändert, mutiert, monströs. Kein Mensch und kein Monster. Bei der Verwandlung von dem einen in das andere auf dem halben Weg stehengeblieben.
Seufzend atmete Suko durch. In seinem Mund lag ein Geschmack, wie er ihn selten gespürt hatte.
Wenn es möglich gewesen wäre, hätte er alles darum gegeben, um dem Freund zu folgen und ihn auf seiner verfluchten Reise nicht allein zu lassen.
Es war nicht möglich, und so ging er auf die Liege zu. Er blieb davor stehen. Das Licht der Scheinwerfer brannte auf ihn nieder wie die Kraft fremder Sonnen.
Er fühlte sich so elend, daß er ohne Stütze nicht mehr stehen konnte und seine Handfläche auf die Liege preßte. Er bewegte sie zur Seite, als könnte er noch Reste seines Freundes spüren.
Aber da war nichts!
Er spürte auch keinen Hauch, keinen Rückstand, der über seine Hände geweht wäre. John war und blieb verschwunden, ohne einen ›Rest‹ hinterlassen zu haben.
Grauenhaft…
Suko blieb auf die Liege gestützt stehen und hob den Blick. Genau vor im stand das Profil des Hugo Westlake wie festgemeißelt. Er war nicht ansprechbar, durch Eigeninitiative hatte er sich selbst in Trance oder Hypnose versetzen können. Suko wußte nicht, ob er ihn stören konnte. Es war gefährlich, Menschen aus ihrer Trance herauszureißen. Man konnte nie wissen, wie sie reagierten.
Zudem dachte er daran, daß Westlake wegen seines Zustands möglicherweise in der Lage war, Johns Standort herauszufinden. Das wäre einfach unglaublich gewesen. Möglicherweise bekam er auf einer anderen Ebene Kontakt mit ihm.
Deshalb hielt er sich noch zurück und verschwand wiederum im Dunkeln der Bühne.
Ihm fiel der tote Luti ein. Suko sah es als günstig an, daß er sich mit einem anderen Problem beschäftigte, als mit dem Verschwinden seines Freundes John Sinclair.
Luti war mit einem Baseballschläger erschlagen worden, von einer Frau, auch nicht durch Suko.
Eine Frau mußte ihn umgebracht haben, ein Mittelding zwischen Monster und Mensch.
Sie hieß Susan Carter, hatte das gleiche Schicksal erlitten wie John. Suko konnte sich vorstellen, daß auch sie sich auf einer bestimmten Reise befand. Möglicherweise auf einem Wahnsinnstrip ohne Ende. Vielleicht ›sprang‹ sie auch von Ort zu Ort, traf immer mal an einer anderen Stelle ein, materialisierte sich dort für einen Moment, um noch im gleichen Augenblick wieder zu verschwinden.
Materialisieren und sich auflösen. Immer und immer wieder. Unzählige Male wurden die Atome durcheinandergewirbelt, ohne sich wieder normal zusammenzusetzen, wie es hätte sein müssen.
Bestimmt kein Wesen, das mit einem Menschen zu tun hatte. Eine klumpige Kreatur, widerlich anzusehen, ein abnormes Etwas aus Fleisch und Gliedmaßen, so widerlich und abstoßend, daß die Phantasie nicht ausreichte, um es sich vorzustellen.
Und was passierte, wenn ihr auf der Reise ein Gegenstand in die Quere kam und sich die Atome miteinander vermischten? Ein Stuhl zum Beispiel. War dann aus einem Menschen ein Mittelding zwischen Monstrum und Stuhl geworden?
Gedanken, die schreckten, die noch eine fürchterlichere Zukunftsvision waren, die aber an Unwahrscheinlichkeit verloren, je länger Suko darüber nachdachte.
Bisher war es ihm nicht gelungen, herauszufinden, wer hinter diesen schrecklichen Experimenten stand. Trotz intensiven Nachdenkens wußte er keinen, der dafür in Frage gekommen wäre. Er und John hatten viele Gegner, beide standen auf mancher Todesliste, aber die reagierten anders, und selbst den Teufel schloß Suko aus.
Ihm war kaum aufgefallen, daß er die Bühne verlassen hatte und sich dem Teil näherte, wo der Direktor sich sonst oftmals aufhielt. Er hatte sich zwei Räume abtrennen lassen, und in einem würde Suko Lutis Leiche finden.
Die Türen standen offen. Stille umgab ihn.
Sie war so bedrückend und lastig. Der Geruch von Blut wehte ihm entgegen.
Susan Carter hatte dem Mann auf den Kopf geschlagen und ihn zertrümmert. In einer für Suko nicht erklärbaren Reaktion hatte sie ein helles Tuch über das Gesicht gelegt, das allerdings eine makabere,
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