0743 - Finsternis
Frau angereist ist?«
»Das stimmt.«
»Was ist mit ihr?«
Dagmar hob die Schultern. »Ich habe bei ihr nichts feststellen können. Für mich ist sie normal. Ich würde sagen, daß sie uns neutral gegenübersteht.«
»Das ist positiv. Wie eng sind die beiden befreundet? Sind Sie möglicherweise ein Paar?«
»Kann ich nicht sagen.«
»Sicherlich so eng, daß wir die Frau als Druckmittel gegen ihn verwenden können?«
»Das nehme ich an.«
»Wir brauchen die Namen und die Zimmernummer der beiden.«
Dagmar nickte Angelo zu, der bisher dem Gespräch schweigend gelauscht hatte. »Ich werde mich darum kümmern.«
»Aber sofort!« fügte der Alte hinzu.
Angelo nickte und verschwand. Er ging lautlos wie ein blonder Todesengel auf Rachetour.
Sträter wartete, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, dann kümmerte er sich um den Jungen. »Komm zu mir, Auserwählter! Komm her, Elohim!«
Als der Junge nicht sofort reagierte, stieß ihn seine Beschützerin an. »Steh auf, bitte!«
Elohim erhob sich.
»Seien Sie nicht so ungeduldig, Dagmar! Er wird sich schon an uns gewöhnen, davon bin ich fest überzeugt!« Dr. Sträter lächelte. Es sah bei ihm so aus, als wäre die Haut nahe seiner Lippen von unsichtbaren Händen zur Seite gezogen worden.
Elohim ging um den Tisch herum. Er wischte eine Haarsträhne aus seinem Gesicht und richtete seinen Blick gegen das Gesicht des alten Mannes, der ihn von unten her anschaute.
»Freust du dich darüber, daß man dich erwählt hat?«
»Jetzt ja.«
»Komm noch näher. Ich will dich berühren, mein Kleiner. Bleib vor mir stehen - bitte.«
Das tat er auch.
Sträter löste seine Hände von den Lehnen des Rollstuhls und faßte den Jungen an. Der rührte sich nicht. Als die krummen Finger des Alten über seine Handrücken strichen, da glaubte er, von altem, trockenem Laub berührt zu werden.
»Hast du Angst vor der großen Stunde?«
Elohim schüttelte den Kopf.
»Das ist gut.« Der Alte mußte sich vor der nächsten Frage räuspern. »Weißt du, wer ich bin?«
»Man hat es mir gesagt.«
»Was sagte man dir?«
»Sie sind ein bedeutender Mann. Sie sind sehr alt. Sie haben viel erlebt und gesehen. Sie sind ein Mensch mit besonderen Begabungen. Sie sind wichtig für mich.«
»Nicht nur für dich, für alle. Ich habe lange gelebt, das stimmt. Ich habe lange gesucht, das stimmt auch. Und ich bin froh, in meinem hohen Alter endlich jemand gefunden zu haben, der den großen Plan, der mich mein Leben lang verfolgte, in die Tat umsetzte. Ich habe es nicht geschafft, ich war nur der Mittler, das Medium, doch du, mein Freund, hast eine Abstammung, die ich mir gern gewünscht hätte.«
»Danke.«
»Bist du bereit, der Finsternis entgegenzutreten?«
»Ich warte auf die Dunkelheit.«
»Hat man dich vorbereitet?«
Elohim nickte. »Mein Wissen ist vorhanden, und ich weiß, daß ich hier unter Freunden bin.«
»Ja, du bist unter Freunden, aber du kannst nicht von deinem Wissen sprechen. Es steckt noch in den Kinderschuhen. In der folgenden Nacht, wenn die Finsternis hereinbricht, wird sich auch dein Wissen ändern. Dann wirst du lernen, die Gesetze der Welt zu begreifen, und du wirst all diejenigen aus dem Weg räumen, die versuchen werden, dich einzuschüchtern. Ist das klar?«
»Ich weiß es.«
»Dann möchte ich dich bitten, hier und jetzt den heiligen Schwur abzulegen.«
Elohim zögerte einen Moment. Dann schließlich nickte er. »Ja, ich werde es tun!«
»Sprich mir nach, mein Junge. Ich schwöre, den alten Kräften zu dienen, die seit Beginn der Zeiten schon vorhanden sind. Ich schwöre es, den Kreaturen der Finsternis einen Platz zu geben, die leider im großen Kampf gegen Licht und Schatten verloren haben. Ich schwöre, ihnen den Weg zu bereiten, daß sie die Niederlage nicht noch einmal erleben und wieder das werden können, was ihnen zusteht. Hast du das alles genau verstanden, mein Freund?«
»Ja.«
»Dann wiederhole die Sätze.« Der alte Mann hatte mit einer so lauten Stimme gesprochen, die gar nicht zu ihm paßte. Er schien noch einmal zu wachsen und sich an seine eigene Jugend zu erinnern, die ihm damals große Kraft gegeben hatte.
Elohim hatte alles behalten. Er schaute über das glatte Haar des Dr. Sträter hinweg, und sein Blick schien sich dabei zu verlieren. Er sah aus wie jemand, der zwar sprach, dessen Gedanken jedoch in fernen Regionen weilten, die einzig und allein für ihn sichtbar waren.
Sie alle hörten zu.
Sie alle waren gebannt.
Besonders
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