0744 - Die Verwandlung
hast du?«
»Bleib im Hotel, Jessica.«
»Das hatte ich auch vor.«
»Aber…?«
»Ich sah es, John. Ich konnte erkennen, was mit diesem Dr. Sträter passierte.«
»Ja und!«
Sie kam näher. In der Finsternis wirkte ihr blasses Gesicht seltsam ölig. Die Lippen bewegten sich, ohne daß sie etwas sagte. Erst nach einer Weile hatte sie sich soweit gefaßt, daß sie wieder reden konnte. »Er hat es geschafft. Er ist nicht mehr gelähmt.« Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen.
»Dieser Greis brachte es tatsächlich fertig, ohne Hilfe aus dem Rollstuhl zu steigen. Kannst du dir das vorstellen? Er stand auf und ging.«
Ich blies den Atem aus. »Ja, das kann ich mir vorstellen. Henoch macht es möglich.«
»Dann hast du oder haben wir verloren.«
»Nein, noch nicht. Das will ich einfach nicht glauben. Wie sagt man? Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Hat es Henoch denn geschafft, was er wollte?«
Jessica Long hob die Schultern. Sie sah plötzlich aus, als könnte sie Hilfe gebrauchen. »Ich kenne mich da nicht so aus, John, aber ich glaube, daß es… daß es…«
»Was ist denn?«
»Schau selbst hin.«
Das tat ich - und erstarrte.
Die Augen waren verschwunden!
***
Elohim ging seinen Weg, der ihm vorgeschrieben worden war, und nichts konnte ihn davon abhalten.
Er hatte gesehen, wie der alte Mann aus seinem Rollstuhl aufgestanden und einige Schritte gelaufen war. Da hatte er zum erstenmal gespürt, daß es zwischen ihm, dem Jungen, und dem Greis eine Verbindung geben würde. Eine Seelenverwandtschaft.
Dagmar hatte ihn mit guten Wünschen auf den Weg geschickt. Bisher war sie um sein Wohl besorgt gewesen, nun lag sein Schicksal in anderen Händen.
Er ging über das Eis. Begleitet von zahlreichen Blicken, die ihm nicht einmal unangenehm waren, weil er genau wußte, daß alle auf seiner Seite standen.
Die kurze Strecke kam ihm sehr lang vor, vielleicht auch deshalb, weil ihm zahlreiche Gedanken durch den Kopf schossen und er sich seit langer Zeit wie befreit fühlte. Er konnte seine Seele schwingen oder fliegen lassen. Dann wehte sie hinein in die Finsternis der Nacht, die anders geworden war.
Drückender und voller…
Er war zu einem Teil des Ganzen geworden. Schon jetzt hatte sich sein Wahrnehmungsgefühl verändert. Er glaubte daran, daß ihm alles gehörte, daß er die Zeiten durchwandern konnte, und das mit der Hilfe der Wesen, die schon bei der Entstehung der Erde dabeigewesen waren.
Das war kaum zu fassen…
Der Greis erwartete ihn. Er hatte sich etwas gedreht, so daß er den Jungen als auch die Augen unter Kontrolle halten konnte, denn beides war für ihn wichtig. Er wirkte nicht mehr wie ein alter Mensch. Seine Gestalt hatte sich äußerlich und innerlich verändert. Der Junge glaubte, Dr. Sträter in einer Aura zu sehen, die dabei war, ihn in die Höhe zu heben und dem schwarzen Himmel entgegenzudrücken.
Er war zu einem Wunder der anderen Kraft geworden, zu einem Zwitter zwischen Mensch und Geist, wobei eigentlich nur der Junge in der Lage war, ihn so zu sehen.
Kein anderer…
Er schaute hinter das Gesicht des alten Mannes. Er sah dort die andere Kraft, als würde er in einen Spiegel schauen, der ihm von den Dingen der Welt berichtete, um schließlich die Geheimnisse zu offenbaren. War es ein Wunder?
Er lächelte…
Der alte Mann streckte seine Arme aus. Gleichzeitig bewegten sich die schütteren Haare. Bisher hatten sie glatt auf seinem Kopf gelegen. Nun stellten sie sich langsam aufrecht, als würde elektrischer Strom durch jedes einzelne Haar knistern. Die dunkle Kleidung kam ihm nicht mehr so dunkel vor. Lichtflecken hatten sich in ihr verfangen und ließen sie durchsichtig erscheinen. Er konnte die dünne Haut auf dem mageren Körper des Alten sehen und glaubte sogar, hinter dem Gesicht die Abbildung bleicher Knochen zu sehen.
Ein schauriger Anblick.
Vielleicht für einen Menschen, nicht für ihn, denn Elohim wußte längst, daß sich der visionäre Uraltengel Henoch aus seiner Welt befreit hatte, um in die anderen einzutauchen.
In der Gestalt des Jungen würde er darangehen, die Kreaturen der Finsternis um sich herum zu versammeln. So stand es in den ungeschriebenen Gesetzen, und nur durch Dr. Sträter, der Wissenschaftler und Engelforscher, konnte er es schaffen.
Elohim wußte sehr gut, wann er stehenbleiben mußte, ging auch keinen Zentimeter vor.
Der Alte nickte ihm zu. Er hob seine Arme und streckte die gestreckten Hände der Finsternis entgegen. Nach dieser Bewegung
Weitere Kostenlose Bücher