0755 - Blutnacht für Assunga
und griff an…
***
Wahrscheinlich war sich Carmen Cavallo der Gefahr nicht so recht bewußt, denn sie rannte auf ihre Feindin zu, ohne überhaupt auf die eigene Deckung zu achten. Möglicherweise verließ sie sich auch zu sehr auf das Schwert, das sie bisher noch nicht im Stich gelassen hatte. Sie hatte nicht vor, Assunga zu köpfen, das konnte sie einfach nicht übers Herz bringen, einen Denkzettel wollte sie ihr schon erteilen, das hatte die Hexe verdient.
Carmen beherrschte die Klinge meisterlich. In ihrer Familie gehörte eine Fechtausbildung einfach dazu, und sie war so schnell, daß Assunga einfach nicht mehr ausweichen konnte. Dabei ging sie auch zielgenau vor, sie wollte dieser Person eine Wunde am Hals zufügen und sie so für alle Zeiten zeichnen.
Die Klinge schlug Blitze, sie jagte auf das Ziel zu, und innerhalb einer nicht mit den Augen zu verfolgenden Zeitspanne kantete Carmen Cavallo ihr schmales Schwert.
Es erwischte die Wange.
Jetzt hätte das Blut der Hexe spritzen müssen, und Carmen verzog das Gesicht, als sie das Schwert zurücknahm, dann aber breitete sich das ungläubige Staunen aus.
Es gab die Hexe nicht mehr.
Assunga war weg!
Carmen schüttelte den Kopf. Das Schwert sank dem Fußboden entgegen. Sie schaute gegen die Klingenspitze, wo sich eigentlich das Blut hätte als rote Spur zeigen müssen, doch auch dort sah sie keinen roten Tropfen. Assunga war nicht einmal gestreift worden. Sie hatte sich im letzten Augenblick aus dem Staub gemacht.
Carmen ging zurück. Sie hörte sich selbst keuchend atmen. Auf ihren Wangen brannte es wie Feuer, und sie hatte gleichzeitig das Gefühl, allmählich einzufrieren.
Das war doch nicht möglich. Sie hätte die Person treffen müssen. So etwas war ihr noch nie passiert, und sie hatte schon sehr viele Kämpfe ausgefochten.
Wieso nicht?
Carmen versuchte, sich zu erinnern. Assunga hatte vor ihr mit offenem Mantel gestanden und hatte ihn dann, ja, daran erinnerte sie sich, blitzschnell geschlossen.
Noch in derselben Sekunde war sie weg gewesen!
Das war Zauberei. Da kam sie nicht mehr mit. Das konnte Carmen nicht realisieren.
Über ihren Rücken kroch ein Schauer. In ihrem eigenen Zimmer fühlte sie sich wie eine Fremde.
Sie ging dorthin, wo Assunga gestanden hatte, um nachzufühlen, ob sie dort irgendeinen Hauch oder einen Rückstand merkte.
Da war nichts.
Sie durchkreiste das Zimmer. Die Gänsehaut blieb auf dem Körper. Von Sekunde zu Sekunde ging es ihr schlechter. Sie dachte über die Dinge nach, ohne sie in die Reihe zu bekommen. Jemand hatte sie genarrt. Es war eine Person mit überirdischen Kräften gewesen, denn diese unterstellte sie der Hexe.
Es gab sie also.
Es gab Hexen, es gab Vampire, und beide verfügten über überirdische Kräfte. Ausgerechnet sie hatte diese zu spüren bekommen, und das war für sie nicht zu fassen.
Weshalb gerade sie?
Die Antwort lag auf der Hand. Es hing mit den alten maurischen Vampiren zusammen, und Carmen beschloß, sollte die Hexe noch einmal erscheinen, keine Rücksicht mehr zu nehmen. Dann würde sie diese Person nicht mehr nur verletzen wollen, sondern töten.
Als sie diesen Entschluß gefaßt hatte, nickte sie vor sich hin. Den Schwertgriff umklammerte sie noch härter. Aber es war ihr auch eine andere Idee gekommen.
Sie allein würde Schwierigkeiten haben, wenn sie sich der Person stellte.
Deshalb brauchte sie Hilfe, und zum Glück hatte sie die beiden Männer aus London gerufen. Einen schnellen Blick warf sie auf die Uhr. Die ausgemachte Zeit war bereits überschritten. Wie sie die beiden einschätzte, würden die sicherlich schon auf sie warten, und sie würden ihr auch bestimmt glauben.
Carmen schaute noch einmal auf das Fenster. Sie konnte sich vorstellen, daß Assunga dort erschien, um sie zu verhöhnen.
Die Hexe ließ sich nicht blicken. Nur ihren eigenen Umriß sah Carmen schwach in der Scheibe abgebildet.
Sie drehte sich wieder um und ging zur Tür.
Und da stand sie!
Carmen schaffte es diesmal nicht, den leisen Schrei zu unterdrücken, so überrascht war sie gewesen.
Ein heißer Strom durchfloß ihre Adern, die Gänsehaut verstärkte sich noch mehr, und auf ihrer Stirn bildeten sich Schweißperlen.
Assunga erinnerte an einen Felsblock. Sie sagte nichts, stand einfach nur, und auf ihrem Mund hatte sich ein leicht verzerrtes Lächeln festgesetzt.
Carmens Siegesfreude hatte einen gewaltigen Dämpfer bekommen. So wie die Hexe dort stand, machte sie nicht den Eindruck, als wollte
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