0756 - Der Kopfjäger des Spuks
Gehsteigen glitt an ihm vorbei wie ein farbenprächtiger Film.
Allmählich verloren sich seine trüben Gedanken und er dachte daran, dass er sich gewisse Gefahren wohl nur eingebildet hatte. Bester Laune wurde er, als der Fahrer den Wagen über die mit Kies belegte Auffahrt vor das Eingangsportal des Clubs lenkte und Sir James das im Landhausstil erbaute Gebäude sah.
Da atmete er tief durch. So etwas wie ein Gefühl von Heimat überkam ihn. Der Club war seine Welt, hier fühlte sich Sir James wohl, und hier saß er auch mit den adäquaten Gesprächspartnern beisammen.
Nachdem der Fahrer Sir James die Tür geöffnet und seinen Gast hatte aussteigen lassen, wurde dieser bereits von einem Butler erwartet, der in gelockerter Kleiderordnung auftrat. Jedenfalls hatte er auf ein Jackett verzichtet. Hemd, Hose und Fliege reichten aus. »Willkommen, Sir James, auch zu dieser für Sie ungewöhnlichen Zeit.«
»Danke, George, aber heute musste ich einfach kommen. Das Wetter ist für den Garten wie gemacht.«
»Das meine ich auch. Es ist übrigens alles gerichtet, Sir. Sie werden zufrieden sein.«
»Danke.«
Der Butler führte den Gast in das Gelände auf der Rückseite des Clubs. Es lag der Themse zugewandt, wobei es noch nicht zu den direkten Uferauen zählte. Das wäre bei einer Überschwemmung schlecht gewesen. Immer wenn Sir James den Garten mit den hohen Bäumen betrat, musste er daran denken, wie er vor Jahren mal aus dieser Idylle entführt und in ein geheimnisvolles U-Boot geschafft worden war. Danach hatte sich im und um den Club herum nichts mehr ereignet.
»Bin ich der einzige Gast, George?«
»Nicht ganz, Sir. Ein Gast ist schon da. Er zog es vor, sich in den Clubräumen aufzuhalten.«
»Gut.«
»Sie möchten ihm keine Gesellschaft leisten?«
»Wer immer es auch ist, in diesem Fall nein. Ich möchte den späten Nachmittag und den frühen Abend im Freien genießen.«
»Was auch zu empfehlen ist, Sir.«
Die Tische und Gartenstühle verteilten sich unter den Bäumen. Die dicken Polsterauflagen der Stühle waren gelb und weiß gestreift, die Tische und die Liegen glänzten weiß. Selbst die Bowle stand bereit.
In einer mit Eis gefüllten Schale stand der gläserne Topf. Ein Deckel schützte das Getränk vor Insekten und herabfallenden Blättern.
Sir James suchte seinen Platz. Er setzte sich so hin, dass die Sonne in seinem Rücken stand und er in Richtung Fluss schauen konnte.
Sir James entledigte sich seiner Jacke, wollte jedoch nicht, dass der Butler sie ins Haus brachte. Er hängte sie über einen noch leeren Stuhl.
»Darf ich servieren, Sir?«
»Gern.«
Die Bowle sah dunkel aus. Sie war aus Wein und Sekt hergestellt worden. In der Flüssigkeit schwammen Früchte, und bestimmte Kräuter hatten ihr die richtige Würze gegeben.
Der Butler wünschte noch einen entspannten Abend und zog sich leise zurück.
Sir James blieb allein. Hatte er im Büro noch über gewisse Dinge nachgedacht, die noch nicht eingetreten waren, ihm aber überhaupt nicht gefielen, so wollte er jetzt die trüben Gedanken vertreiben, die Stille und den Blick genießen, damit ihn auch die innere Entspannung erreichte. Das aber war kaum möglich. Er schaffte es einfach nicht, weil ihm zu viel durch den Kopf ging.
Immer wieder kehrten seine Gedanken zu diesem rätselhaften Mantel der Hexe zurück. Es war seinen Mitarbeitern gelungen, ihn in ihren Besitz zu bringen. Im Regelfall hätte er sich damit zufrieden gegeben. Diesmal war es nicht so. Sir James kam darüber einfach nicht hinweg. Er musste immer wieder an den Mantel denken, der ja etwas Besonderes war und möglicherweise für einen nicht Eingeweihten auch gefährlich werden konnte. Zudem konnte er sich vorstellen, dass Assunga im Verein mit Mallmann versuchen würde, den Mantel wieder zurückzuholen.
Die beiden nahmen keine Rücksicht. Die gingen direkt aufs Ganze, und ihre Pläne konnten zumeist als unorthodox angesehen werden.
Die Bowle hatte genau die Frische und Würze, die Sir James liebte. Sie gehörte zu den Standardgetränken des Frühsommers. Der Koch war stolz auf ihre Zubereitung und verriet das genaue Rezept nie.
Die Landschaft hatte Sir James eingenommen. Laubbäume gaben ihm einen wunderbaren Schatten.
Die Blätter der Buchen und Platanen filterten viel von diesem grellen Junilicht, und wenn er den Kopf ein wenig nach links drehte, konnte er durch die Lücke in Richtung Ufer schauen, ohne den Fluss allerdings zu sehen.
Dafür spürte er ihn. Es wehte
Weitere Kostenlose Bücher