077 - Zu Gast bei Mr. Vampir
der Meinung: Wenn Jeannine Burtin die Wahrheit gesagt hat, dann haben Sie den Entführer schon im Netz. Er heißt Arthur Leggatt.“
Als der Kommissar schweigt, setzt der Doktor hinzu: „Es sei denn, dieser Leggat existiert nicht und stellt sich als nichts anderes heraus, als ein Produkt der Einbildung eines kranken Mädchens!“
„Leggatt existiert“, sagt der Kommissar. „Wir haben ihn sofort gefunden, er ist ein Stammgast in dem Restaurant, in dem Jeannine als Serviererin arbeitet.“
„Und?“
„Aber dieser Leggatt kann nichts mit der Sache zu tun haben, so vermute ich zumindest. Denn sie sagt, daß Leggatt sie auf einer Straße in Saint Prix erwartet habe, gibt aber zur gleichen Zeit zu, daß sie ihn seltsam verändert gefunden habe, sehr verschieden von dem Leggatt, den sie seit langem kennt. Sie hatte ihre Zweifel bereits, ohne daß wir sie danach gefragt haben!“
„Nun gut. Sie haben also Leggatt einvernommen, aber ich nehme nicht an, daß Sie alle diese Aussagen für bare Münze nehmen. Sie haben Mittel und Wege, diese Aussagen zu überprüfen.“
Fauchard lächelt und holt ein kleines Notizbuch aus seiner Brusttasche.
„Dieser berühmte Cadillac … Leggatt besitzt keinen Wagen und hat auch keinen Führerschein. Die Kleidung – Jeannine Burtin hat uns eine genaue Beschreibung gegeben, was dieser Mann in Saint Prix getragen hat, aber sie hat ausdrücklich betont, daß sie ihn nie vorher in dieser Kleidung gesehen hat. Von diesen Kleidern fand sich bisher nicht eine einzige Spur. Auch nicht in seiner Wohnung, die wir anschließend sorgfältig durchsucht haben.“
„Es scheint korrekt zu sein, aber wir besitzen nur eine einzige Angabe: vom vergangenen Montag, an dem er behauptet, im Kino gewesen zu sein, in der Siebzehn-Uhr-dreißig-Vorstellung. Das ist zwar nicht viel, aber durchaus glaubwürdig. Bei Leggatt haben wir auch nichts gefunden, was auf die Verschwundenen hinweist. Ich meine damit Zeitungen oder Zeitungsausschnitte, die von den verschwundenen Mädchen berichten. Darüber hinaus führt er ein sehr ruhiges, zurückgezogenes Leben.“
„Also ist er es nicht.“
„Es sieht so aus.“
„Und Sie schenken den Aussagen der Kranken weiterhin Beachtung?“
„Ich bin der Ansicht, sie hat es mit einem Mann zu tun gehabt, der sich für Leggatt ausgibt und ihm auch ähnlich sieht.“
„Wie konnte dieser Mann dann wissen, daß Jeannine sich an diesem Tag um genau diese Zeit in Saint Prix befinden würde?“
„Da fragen Sie mich im Augenblick zuviel, aber die Kollegin Jeannines hat mir gesagt, daß die beiden Mädchen in der Küche darüber sprachen und Leggatt möglicherweise ihre Unterhaltung mitanhören konnte.“
„Gut, und was erwarten Sie nun von mir?“
„Daß Sie Jeannine Burtin ins Vertrauen ziehen. Nur Sie können das tun. Verstehen Sie mich recht, seit zwei Tagen wird sie als Verrückte oder Simulantin angesehen. Wie wollen Sie dann, daß sie mir hilft? Wie soll sie dann objektiv in ihrer Erinnerung nach Bruchstücken suchen, die für uns wichtig sein können?“
„Ich verstehe.“
„Kann ich auf Sie zählen?“
„Natürlich, Kommissar.“
„Und wenn wir uns aus ihren Aussagen ein Bild machen, werden wir uns auch eine Vorstellung von der Persönlichkeit des Verbrechers machen können.“
„Ich bin kein Psychiater.“
„Trotzdem.“
„Sehen Sie, Kommissar, es handelt sich doch offensichtlich um einen Kranken mit religiösem Wahn.“
„Weil er sich für Satan hält?“
„Zum Beispiel.“
Fauchard zündet seine dritte, übelriechende Zigarette an, und Morestier öffnet unauffällig das Fenster.
„Ich habe die Aussagen Jeannine Burtins analysiert“, sagt der Kommissar. „Unser Mann hat seine eigenen Ansichten über gewisse Dinge. Er spricht von Don Juan, Casanova und Faust, als wären es seine alten Bekannten, und ich habe keinen Zweifel, daß uns das Mädchen seine Worte genauso wiedergegeben hat, wie er sie sagte.“
„Ja, wenn sie keine Simulantin ist, müßten diese Worte eigentlich stimmen … aber Jeannine war darüber hinaus ganz stark beeindruckt von der Umgebung, von der Dunkelheit … sie hatte Angst und Hunger. Also hat ihr Gedächtnis gewiß rein mechanisch alles genauso registriert, wie es vorgefallen ist.
Möchten Sie die Kranke sehen?“
„Nein, sprechen Sie erst mit ihr. Ich habe jede Menge Arbeit im Büro; denn wenn sich mit dieser Sache drei andere mysteriöse Fälle verknüpfen, muß ich viele vorbereitende
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