0772 - Die Rache des Toten
Trance versunken?« Als Nicole ihre eigene Stimme hörte, bemerkte sie dass sie ihre Gedanken in Worte gekleidet hatte.
»So sieht es aus«, bekräftigte William.
Foolys Arme zuckten kräftiger, seine Füße traten nach einem unsichtbaren Gegner aus. Über seinem Kopf flimmerte etwas.
»Seht doch nur!«, stieß Nicole aus. »Das sieht aus, wie Luc Avenge!«
Das Gesicht des Reeders manifestierte sich über dem Drachenkopf.
Fooly stürzte unendlich langsam vom Bett, als wäre dies eine Zeitlupeneinstellung.
Und die Erscheinung über seinem Kopf verschwand.
»Da stimmt etwas nicht!«, behauptete William, nachdem die Zeitschau beendet war.
»Der Ansicht bin ich auch«, schloss sich Nicole an. »Wir haben nur gesehen, was Avenge uns sehen lassen wollte.«
»Du meinst, er hat das so weit beeinflusst?« Zamorra war skeptisch.
»Zumindest so weit, dass er sich erst bei der entscheidenden Szene zeigte«, war Nicole überzeugt.
»Ich schließe mich der Ansicht von Mademoiselle Duval an«, beeilte sich William zu sagen, als Zamorra ihn fragend anblickte.
Der Meister des Übersinnlichen untersuchte den Drachen noch einmal.
»Wie lange ist Fooly schon tot?«, wollte er von William wissen.
»Mindestens sechs Stunden«, antwortete der Butler. »Da fand ich ihn so vor. Ich hatte ein unruhiges Gefühl und sah deshalb nach ihm. Gleich danach habe ich Sie telefonisch unterrichtet. Wie lange er vorher schon da gelegen hat, entzieht sich meiner Kenntnis.«
»Sein Körper müsste nach dieser Zeit längst abgekühlt sein«, sagte der Dämonenjäger. »Aber er fühlt sich genauso warm an, wie immer. Ich weiß zwar nicht genau, wie das bei Drachen ist, aber das kommt mir seltsam vor.«
Nicole streichelte Fooly über den Rücken. Dabei sparte sie die mit scharfen, dreieckigen Hornplatten übersäten Stellen aus. Sie nickte ein paarmal als Zeichen der Zustimmung.
»Du meinst…?«, setzte sie an.
»Genau, er befindet sich in einer Art Stasis.«
»Aber wir wissen nicht, wie und ob wir ihn daraus aufwecken können?«, erkundigte sich William. »Dann ist es fast genauso schlimm, als ob er tot wäre…«
Zamorra nickte bedächtig.
»So sehe ich die Sache auch.«
***
Am nächsten Morgen erhielten sie die dritte Botschaft von Luc Avenge.
Es handelte sich wieder um ein mit zwei Blättern gefülltes Kuvert. Und wie durch Zauberei hatten sich gleichzeitig die Skizze sowie die Fotokopien des Andorra-Bergpfades verflüchtigt.
Wie schon in den beiden vorherigen Botschaften - Zamorra weigerte sich, sie als Briefe zu bezeichnen - war auch in dieser nicht klar zu erkennen, ob Avenge die Bewohner des Châteaus nicht für voll nahm, oder ob er lediglich provozieren wollte.
Ebenso wie auf dem letzten Kuvert stand auch auf diesem in gewohnt akkurater Schüft:
An Seigneur Zamorra de Montagne
Der so Angesprochene biss die Zähne aufeinander und verkniff sich einen Kommentar. Aber sein grimmiger Blick sprach Bände. Als er den Brief las, musste er öfters die Augen schließen. Und das lag nicht nur daran, dass er wegen Foolys Schicksal eine schlechte Nacht gehabt hatte.
Eigentlich hatte er so gut wie gar nicht geschlafen. Das Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber seinem Feind raubte ihm die Ruhe. Er machte sich Vorwürfe, dass er nicht da gewesen war, um den Jungdrachen zu beschützen. Seine Gedanken kreisten nur darum, wie er seinem kleinen Freund helfen konnte.
Und dieses Geschmiere würde ihn davon bestimmt nicht ablenken können.
Tat es aber doch!
Sehr geehrter Professor und Anhang!
Das war doch gar nicht so schlecht, was Sie vorgestern und gestern abgeliefert haben. Ganz ehrlich, ich habe mich selten so amüsiert. Das war oscarreif.
Den Polizisten in dem wunderschönen Zwergstaat ist kein Vorwurf zu machen. Die konnten ja nicht anders!
Aber Sie hatten Strafe verdient!
Was habe ich von Ihnen verlangt?
Kommen Sie alleine! Ohne Ihre Konkubine!
Und wenn ich das schreibe, dann meine ich es auch so. Die Strafe folgte auf dem Fuße, das heißt, Ihr Drache musste sie ausbaden.
Das verdankt er Ihnen alleine und sonst niemandem! Und spätestens jetzt wissen Sie, dass ich keine Scherze mache. Zumindest dann nicht, wenn ich klar formulierte Forderungen stelle.
Ich überlege, ob ich Ihnen noch eine Chance geben soll. Der arme Fooly hat nun nichts mehr davon. Er wird sein Schicksal als ewig halb totes Denkmal beschließen müssen. Wie gesagt, das ist Ihre Schuld.
Ganz alleine!
Nun denn, ich bin ja nicht so, das wissen Sie doch. Die
Weitere Kostenlose Bücher