0780 - Der Geist des Baphomet
zurückzuverwandeln.
Ich wollte und musste sehen, wen ich da vor mir hatte und knipste meine Lampe an.
Das Gesicht hatte sich stark verändert. Die böse Schnauze war nicht mehr vorhanden. Stattdessen sah ich eine bleiche Totenfratze mit dünner Haut und scharfen Knochen darunter. Der Mund war aufgerissen, die Nase teilweise auch, nur ein Auge war noch vorhanden, aber das andere hatte einen toten Blick.
Haar wuchs auf dem Kopf wie Gestrüpp, ein bestialischer Gestank wehte mir entgegen. Er roch nach Leiche, nach Verwesung.
Er war eine Leiche. Und die fiel.
Ich versuchte auch nicht, sie zu halten. Die Hände der Bestie hatten sich gelöst, die Hülle war kraftlos geworden und rutschte der Dachkante entgegen.
Eine Rutschbahn in die Vernichtung. Nichts gab es mehr, wo der Körper noch hätte stoppen können. Er war uralt, er war halb verwest, die Kraft des Bösen hatten ihn noch einmal aufgerichtet, um ihn zu einem widerlichen Monster zu machen.
Dann war er verschwunden.
Das Hüpfen über die Dachkante, als er durch den Aufprall anfing, um sich zu schlagen, kein Schrei, der aus seinem Maul drang, und auch der Aufprall war kaum zu hören. Das Geräusch wurde von den Nebelschleiern verschluckt.
Ich hockte auf dem Dach und schüttelte den Kopf. Gleichzeitig fühlte ich mich erleichtert. Hätte ich einen Regenschirm gehabt, wäre ich wohl auf dem First spaziert wie die gute Mary Poppins, aber danach stand mir nicht der Sinn.
Den Nebelwolf gab es nicht mehr. Wie verdammt schnell es über die Bühne gegangen war. Der Angriff, die Schüsse, das war es dann gewesen. Es gab keine Gefahr mehr, die Menschen hier in Trevine konnten endlich tief auf- und durchatmen.
Schön wäre es gewesen. Mit der Vernichtung der Bestie waren die Probleme noch nicht gelöst. Der Nebelwolf war mehr eine Begleiterscheinung dieser schwarzen Flut gewesen, die den Ort mittlerweile verlassen hatte. Ihr Erbe war noch vorhanden.
Ich dachte an die Templer-Gräber im Sumpf. Ich erinnerte mich auch an die Erklärungen des Hoss Ivory. Vor langer, langer Zeit hatte hier eine Templer-Gruppe gehaust, die sich dem Bösen verschworen hatte. Es waren Baphomet-Diener gewesen und gleichzeitig Werwölfe. Den Menschen war es dann trotz aller Widrigkeiten gelungen, die Wölfe zu vernichten. Man hatte sie im Sumpf begraben.
Die Werwölfe waren verfault, hatten die Gräber nicht mehr verlassen können, bis eben auf den einen.
Dafür war die schwarze Flut gekommen. Ich ging davon aus, dass sie in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den getöteten Wölfen stand, aber ich wusste die genauen Einzelheiten nicht.
Allmählich wurde mir kalt. Ich dachte auch an den Jungen und wollte zurück in die Wohnung. Der Abstieg gestaltete sich schwieriger als der Aufstieg, ich musste höllisch aufpassen, nicht abzurutschen und über die Dachkante zu kippen.
Nahe des offenen Fensters glitt ich schneller und könnt mich soeben noch festhalten. Die Beine rutschten vorbei, während meine Hände den Rahmen umklammert hielten.
Sekunden später schraubte ich mich durch die Öffnung in die Küche hinein.
Dennis Hooker saß am Tisch, ohne sich zu rühren. Er schaute mich an, er sah auch, wie ich lächelte, sagte selbst aber nichts. »Ich bin wieder da, Dennis.«
»Was war denn?«
»Es ist alles in Ordnung.«
»Da hat doch jemand geschrien.«
»Stimmt, aber er wird nicht mehr schreien. Du brauchst keine Angst zu haben.«
Er schielte auf das zerstörte Fenster und nickte. »Da habe ich das Tier gesehen. Hast du es getötet?«
»So ist es.«
»Fiel es vom Dach?«
»Auch das stimmt.«
Dennis hob die Schultern. Er sprach nicht mehr. Ich dachte wieder an die veränderten Menschen hier in Trevine und schaute mir dann den Jungen an.
Ihn hatte es nicht getroffen, zumindest nicht so stark, wenn ich mal von den toten Hunden absah, die ich zusammen mit ihm auf dem Schulhof entdeckt hatte.
Hatte er einfach nur Glück gehabt, oder konnte die schwarze Flut Kindern nichts anhaben? Ich kam nicht darauf, ich wusste es nicht, ich musste mich jetzt auch um andere Dinge kümmern, und ich hoffte gleichzeitig, dass meine Helfer bald eintreffen würden. Vom Dach her hätte ich gern auf den Boden geschaut. Es war mir wegen des dichten Nebels einfach nicht möglich gewesen.
Ich musste das Haus verlassen und durch den Ort gehen, wenn ich mehr erfahren wollte. Davor fürchtete ich mich. Nicht vor dem Gang, sondern davor, was ich eventuell entdecken konnte. Menschen, die sich verändert hatten,
Weitere Kostenlose Bücher