0783 - Der Tunnel
auch wenn Sie es vielleicht lächerlich finden und es nicht akzeptieren können.«
»Kann ich mir denken.«
Ed verstand meine Reaktion nicht. »Und mehr sagen Sie nicht dazu, mehr nicht?«
»Nein.«
»Dann sind Sie mehr als ein Fatalist.«
»Auch das nicht, mein Lieber. Ich bin jemand, der akzeptiert, was er vorhin gesagt hat, der aber auch seinen Kopf nicht in den Sand steckt, sondern dagegen angeht.«
Erst wollte er lachen. Er überlegte es sich, gab ein grunzendes Geräusch von sich und schüttelte den Kopf. »Wie wollen Sie als Mensch gegen Geister angehen?«
Ich blieb mit der Antwort sehr allgemein und sagte: »Mal so und mal so.«
»Das ist doch Quatsch.«
»Glaube ich nicht, Mr. Halloran. Es ist kein Quatsch, es ist die Summe der Erfahrungen.«
Er wurde nicht ärgerlich, sondern staunte. »Erfahrungen? Tatsächlich Erfahrungen mit Geistern?«
»Unter anderem.«
Ed Halloran schwieg. Da sich seine Haut am Hals bewegte, sah ich, wie er Speichel schluckte. Dann schüttelte er plötzlich den Kopf, lachte dabei und sagte danach: »Wissen Sie was, Sinclair, ich glaube Ihnen sogar.« Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, was den lesenden Nachbarn aufschreckte. Der stand auf und ging. »Ja, verdammt, ich glaube Ihnen! Hätte ich selbst nicht für möglich gehalten, aber irgendwie kriege ich das in die Reihe, Sinclair.«
»Wunderbar, Mr. Halloran. Dann wird es Sie auch kaum stören, dass ich mir den Tunnel und die Höhle mal aus der Nähe anschaue.«
»Sie… Sie … wollen hin?« Halloran war völlig perplex und von der Rolle. »Sie wollen tatsächlich hin?«
»Natürlich. Ich will einen Fall aufklären. Nicht mehr und nicht weniger. Und da muss ich dort anfangen, wo dieser Fall begonnen hat. Das ist alles.«
Er hob die Augenbrauen und starrte auf seine Knie. »Ja, das ist alles. Sind Sie auch ein Selbstmörder oder zumindest gut versichert?«
»Beides nicht.«
»Dann würde ich Ihnen abraten.«
»Hatte ich mir gedacht, aber ich will das Geheimnis lüften.«
»Wann denn?«, fragte er, und seine Augen hatten einen Blick bekommen, der mich störte, mir gleichzeitig auch etwas anderes signalisierte, über das ich mir noch nicht im Klaren war.
»Das kann ich nicht sagen, aber so schnell wie möglich.«
»Sie fahren allein?«
»So sieht es aus.«
»Warum?« Sein lauernder Blick hatte sich nicht verändert. Allmählich merkte ich, wohin der Hase lief.
»Wer sollte mich denn unterstützen? Es gäbe da jemand, aber der ist im Moment leider verhindert.«
»Damit meinen Sie mich nicht?«
»Auf keinen Fall.«
»Aber ich könnte fahren!« Jetzt war es heraus, und Halloran wirkte erleichtert.
Ich schwieg zunächst. »Sie also?«
»Warum nicht? Ich kenne mich aus.«
»An Ihre Verletzungen denken Sie nicht?«
Halloran strich über sein Gesicht. Er berührte die Plaster und ebenfalls seine krustige Haut. »Nein, daran denke ich nicht, denn für mich ist es okay. Ich habe ein ganz anderes Problem, meine Angst nämlich. Und ich denke, dass ich sie nur dann überwinden kann, wenn ich mich den Problemen stelle.«
»Das könnte gehen.«
»Gut, mein Vorschlag steht. Ich hole meine Sachen, zum Glück hat man mir neue Kleidung gebracht, und dann werden wir beide das Krankenhaus verlassen, ohne dass die Ärzte etwas davon merken.«
»Das ist ungesetzlich.«
»Na und? Es geht auf meine Kappe. Verdammt noch mal, Sinclair, keiner von diesen Weißkitteln ist darüber informiert, wie es in mir aussieht. Sie wissen nichts von meiner Angst vor einer Verfolgung. Ich weiß, dass diese Gestalt nicht aufgegeben hat. Ich habe sie verraten, und dafür wird und will sie sich rächen. Deshalb geben Sie Ihrem Herzen schon einen Stoß und stimmen Sie zu. Von hier aus ist es nicht weit bis zu unserem Ziel. Am nächsten Tag kann ich wieder hier im Krankenhaus sein. Den Ausflug hat niemand bemerkt. Ich habe bereits gegessen, die Nachtschwester braucht nicht nach mir zu sehen. Außerdem ist das Personal daran gewöhnt, dass ich in der Nacht durch die Flure laufe und mir so meine eigenen Gedanken mache. Die anderen beiden Typen auf meinem Zimmer werden nichts merken, denn um diese Zeit schlafen die. Die sind immer kaputt. Ich aber kann vor mir selbst bestehen, denn ich will lernen, meine eigene Angst in dieser Nacht zu überwinden. Da ist mein Vorschlag eben die beste Therapie.«
Überzeugt hatte er mich noch immer nicht. Doch meine Bedenken behielt ich für mich. Ich hätte sagen können, was ich wollte, nichts hätte
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