0783 - Der Tunnel
bei ihm gefruchtet. Ed Halloran hatte einmal einen Entschluss gefasst und würde davon nicht ablassen.
»Stimmen Sie zu?«
»Ich bin mir noch unschlüssig.«
»Ich wäre ein guter Führer für Sie. Außerdem brauchte ich nicht mit in den Tunnel hineinzugehen. Ferner werden wir davon profitieren, dass die Baustelle vorläufig stillgelegt wurde. Da hat man in den oberen Etagen Muffensausen gekriegt.«
Ich hob die Schultern. »Ist vielleicht nicht so schlecht. Wenn Sie das auf Ihre Kappe nehmen wollen, okay.«
Er war schon aufgestanden. »Warten Sie auf mich, ich bin gleich wieder da. Muss mich nur von diesen verdammten Klamotten befreien. Ich hasse sie inzwischen. Ein Ed Halloran ist kein Mann fürs Krankenhaus, darauf können Sie sich verlassen.«
Ich schaute ihm nach, wie er den Flur entlangschritt und in das Krankenzimmer schlich. Er hatte mich ziemlich nachdenklich zurückgelassen. Begeistert und überzeugt war ich nicht. Auf der anderen Seite aber konnte es nicht schaden, wenn ich jemand bei mir hatte, der sich in der Umgebung auskannte. Ich musste nur dafür sorgen, dass er nicht in Lebensgefahr geriet. Was seine Furcht vor einer Verfolgung anging, da konnte er durchaus Recht haben.
Halloran kehrte schneller zurück, als ich erwartet hatte. Auf seinem Gesicht lag das spitzbübische Grinsen eines Jungen, der es geschafft hatte, seine Lehrer zu überlisten. Halloran trug eine dicke Jacke über dem Arm. Ansonsten war er mit Jeans und einem Pullover bekleidet. »Ich bin bereit«, sagte er. »Sie auch?«
Ich stand auf. »Kommen Sie mit…«
***
Wir waren erst zu meiner Wohnung gefahren, dort in den Rover gestiegen und hatten uns in die südwestliche Richtung gewandt. Als der Großraum London hinter uns lag, klappte es mit dem Verkehr besser. Zumindest mit dem, der in unsere Richtung führte. Auf der Gegenseite, nach London zu, gab es einen Stau.
Es war kurz nach neunzehn Uhr, und die reine Fahrzeit bis zum Ziel würde ungefähr zwei Stunden betragen. Auf keinen Fall länger, das hatte mir mein Begleiter gesagt.
Er saß neben mir und machte einen relativ zufriedenen Eindruck.
Selbst die Verletzungen schienen ihn nicht mehr zu stören, auch seine Angst war verflogen, zumindest sprach er nicht mehr davon.
Meine Fragen allerdings beantwortete er nur einsilbig. So hatte ich wissen wollen, was die Firma Mount Incorporate dort unten überhaupt abbauen wollte.
»Nun ja, nicht viel.«
Das glaubte ich ihm nicht. »Niemand wird so dumm sein und große Summen investieren, wenn er sich nichts davon verspricht. Nördlich des Küstenstreifens gibt es die South Downs, eine Hügelkette. Was…?«
»Kohle«, kürzte er ab.
»Wirklich?«
»Wäre möglich. So weit sind wir noch nicht gekommen. Man will ja langfristig aus der Atomenergie aussteigen, und da ist eben Kohle eine Alternative.«
»Da stimme ich Ihnen zu.«
»Und weshalb sind Sie dann noch skeptisch? Das habe ich Ihrer Stimme entnommen.«
»So? Merkt man das?«
»Sicher«, sagte er lachend.
»Ich will es Ihnen erklären. Zunächst einmal bin ich kein Fachmann, aber wer nach Kohle sucht, der bohrt keinen Tunnel in den Berg, der geht doch senkrecht in die Erde, denke ich.«
»Im Prinzip schon. Nur gibt es Stein- und Braunkohle. Wir haben mehr an Braunkohle gedacht. Sie wird nun mal im Tagebau gefördert.«
»Ja, das stimmt.« Ich dachte an einen Fall in Germany, der schon Jahre zurücklag. Da hatte ich es mit Zombies aus einem Tagebau zu tun bekommen, und ich hatte auch die gewaltigen Förderbagger und Transportbänder gesehen, die wie riesige Ungeheuer aus Metall wirkten.
Ich berichtete von diesem Fall. Ed stimmte mir zu. »Ja, das ist dann erst der Fall, wenn man mit der Produktion beginnt. Wir haben erst Probebohrungen gemacht.«
»Wie lang ist denn der Tunnel?«
»Nicht mal hundert Yards. Irgendwo zwischen fünfzig und siebzig.«
»Dort haben Sie die Dunkelheit normal erlebt, nehme ich an.«
»Es war alles in Ordnung. Der Lichtstrahl meiner Lampe durchdrang sie. Nach dem Durchbruch, dann nicht mehr. Da hatte ich den Eindruck, als wäre diese Höhle mit einem teerartigen Zeug gefüllt, das sich wie Nebelwolken weiterbewegte und das Licht meiner Lampen einfach schluckte.«
Wie bei der schwarzen Flut, dachte ich…
»Später war sie dann verschwunden – oder?«
»Sie meinen, während meines Rückwegs?«
»Ja.«
»In der Tat war sie weg.«
»Haben Sie eine Erklärung?«
»Keine.«
Ich nickte und nahm es hin, ohne jedoch überzeugt zu sein.
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