0783 - Der Tunnel
Verdammnis. Ich fasse allmählich großes Vertrauen zu dir.«
Diesmal lächelte ich. »Das ehrt mich sehr, mein Freund. Ich freue mich auch, deinen Namen gehört zu haben, doch ich kann damit leider wenig anfangen. Ich stelle mir aber vor, dass du für Jacques de Molay sehr wichtig gewesen sein musst.«
»Damals schon«, gab er zu.
»Wie wichtig?«
Lomenius überlegte. Er schaute sich in der Höhle um. In seinen Augen bewegte sich das Licht, ja, so kamen mir seine Pupillen jetzt vor, als bestünden sie aus Licht. »Er vertraute mir, denn er wusste ja, was auf ihn und den Orden zukommen würde. Es gab viele Anzeichen, über die ich jetzt nicht sprechen möchte. Doch die Templer suchten einen Weg, damit wenigstens ihre Botschaft überleben konnte.«
»Hatte man dich auserwählt.«
»Es war de Molay, der dies tat?«
»Und warum suchte er gerade dich aus, John Mark?«
Die Gestalt bewegte sich. Es sah seltsam aus, denn alles wirkte bei ihr abgehackt. »Ich weiß es auch nicht.«
»Du hast ihn gekannt.«
»Gut sogar.«
»Dann warst du auch in seiner Nähe?«
Er nickte. »Ich… ich war sein Vertrauter. Er … er hat mir vieles gesagt.«
Ich horchte auf. Wenn ich ihn dazu bringen konnte, zu reden, dann lüftete sich möglicherweise der Schleier eines weiteren Geheimnisses, der die Templer betraf. »Ich weiß, dass du mir nicht alles sagen kannst, es ist sehr viel Zeit vergangen, aber das Wichtigste wirst du schon behalten haben.«
»Lass mich nachdenken.«
»Wir haben alle Zeit der Welt.«
Das war zwar etwas übertrieben, aber er tat mir auch den Gefallen und dachte nicht zu lange nach. »Es war eine schlimme Zeit damals«, sagte er mit seiner monotonen Stimme. »Viele von uns fürchteten sich. Die Templer sollten vernichtet werden. Es gab immer wieder Tote. Viele von uns waren plötzlich nicht mehr da. Sie verschwanden und kehrten auch nicht mehr zurück. Wir mussten sie einfach abschreiben, und es war eine sehr schlimme Zeit. Jacques de Molay wusste dies, er traf die nötigen Vorbereitungen, er holte mich aus diesem Land, er machte mich zu einem Vertrauten. Wir redeten über vieles, auch über den Tod, und besonders über seinen Tod. Jacques wusste, dass sie ihn erwischen würden. Da er nicht abschwören würde, blieb ihm nur der Tod. Aber er wollte, dass der Orden weiterlebte, und darüber haben wir eben in langen Tagen und Nächten in der Einsamkeit gesprochen. Er übertrug auf mich eine gewaltige Verantwortung. Ich sollte nach seinem Tod den Orden weiterleiten. Ich war ein Ritter, und ich sollte der neue Großmeister werden.«
»Bist du es geworden?« Meine Stimme klang ziemlich atemlos, denn was ich in den letzten Sekunden erfahren hatte, das glich schon einem historischen Sprengstoff. Sosehr ich mich um die Geschichte der Templer bisher bemüht hatte, von einem offiziellen Nachfolger des Jacques de Molay hatte ich noch nichts gehört. Jetzt saß er vor mir, er hatte überlebt, wenn auch nicht in der früheren Gestalt, doch das war in diesem Moment sekundär.
»Ob ich es geworden bin, fragst du?« Er lachte hohl. »Schau mich doch an. Wie kann jemand wie ich der Nachfolger eines so großen und gewaltigen Menschen werden? Nein, ich habe es nicht geschafft.«
»Du hast dich bemüht?«
»O ja«, sagte er, »das habe ich. Retten konnte ich Jacques de Molay nicht mehr. Er und seine Getreuen gingen ins Feuer. Doch zuvor hat er es geschafft, mir die Flucht zu ermöglichen. Er hatte mich in vieles eingeweiht, mir das Wissen um so manches Geheimnis mit auf den Weg gegeben. Ich wollte den Orden auch zusammenhalten, musste aber zuvor fliehen und suchte mir meine alte Heimat aus. Ich erreichte England an dem Tag, als Jacques starb. Ich fühlte in meinem Herzen einen gewaltigen Zorn, bis hin zum blinden Hass, aber ich dachte auch an die Worte des letzten Templerführers, und ich sagte mir, dass ich mich von diesen Trieben auf keinen Fall leiten lassen durfte. Ich wollte die Templer zusammenbringen. Einige Getreue und ich suchten nach Spuren, wobei wir behutsam vorgehen mussten. Und wir suchten auch nach Fluchtpunkten, wo wir uns vor der verfolgenden Meute verbergen konnten. Die Kirche und die Orden gaben nicht locker, sie suchten uns, und es hatte sich bei ihnen herumgesprochen, dass ich jetzt der neue Anführer war. Auf meine Ergreifung war eine hohe Belohnung ausgesetzt, aber sie schafften es nicht. Ich konnte mich verstecken und wartete, bis einige Jahre vergangen waren. Ich lebte als Eremit in den Wäldern,
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